«Es gibt nichts, was es nicht gibt»

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«Es gibt nichts, was es nicht gibt»

Alles hat seine Grenzen. Auch der Import von Kleinpaketen und Briefen. Andreas Weber sorgt dafür, dass es dabei mit rechten Dingen zugeht. Er leitet die Postverzollung im Briefzentrum Mülligen und ist zuständig für die Qualitätssicherung in diesem Bereich.

In der Schweiz treffen täglich rund 80 000 Kleinpakete und Briefe aus dem Ausland ein. Amazon, Zalando, Alibaba und Co. lassen grüssen …

Richtig. Mehr als 95 Prozent der Sendungen stammen aus dem Bereich B2C. Und die Wachstumsraten sind enorm: Von 2014 auf 2015 nahm das Importvolumen um 32 Prozent zu, in den ersten vier Monaten 2016 liegen wir bereits 46 Prozent über der Vorjahresperiode. Zum Wachstum tragen neben den Onlinegiganten auch viele kleine Boutiquen bei.

Frei nach Shakespeare stellen sich für jede Sendung zwei Fragen: «legal oder nicht legal», sowie «abgabe- oder nicht abgabepflichtig»? Was besagt das Gesetz?

Die erste Frage ist einfach zu beantworten: Alles, was nicht verboten ist, darf importiert werden. Bei der zweiten Frage wird es komplizierter. Wer persönlich Waren in die Schweiz einführt, bezahlt erst ab einem Warenwert von 300 Franken Mehrwertsteuer. Anders beim Postkanal: Die Mehrwertsteuer ist grundsätzlich für jeden Warenwert geschuldet. De facto wird sie aber erst erhoben, wenn der Mehrwertsteuerbetrag die administrativen Kosten deckt. Das ist bei einem Warenwert von 63 Franken bzw. bei einem Mehrwertsteuerertrag von 5 Franken der Fall. Zu den Zöllen: Sie werden in der Schweiz nach Gewicht erhoben. Da über den internationalen Briefkanal nur Sendungen bis 3 Kilogramm importiert werden können, fallen kaum Zölle an – ausgenommen bei Alkohol, Tabak und Co.

Bei Importsendungen müssen Inhalt und Warenwert deklariert werden. Doch: Papier ist geduldig. Wie finden Sie heraus, ob drin ist, was draufsteht?

60 Prozent der Sendungen sind falsch oder gar nicht deklariert, bei Sendungen aus China sind es sogar 97 Prozent. Deshalb nehmen wir jedes Paket und jeden Brief in die Hand. Wir tasten, riechen, schütteln … und achten auf unser Bauchgefühl. Verdächtige Pakete werden geöffnet. Illegale Inhalte übergeben wir dem Zoll, bei zu tief deklariertem Warenwert versuchen wir, diesen zu bestimmen. Im Idealfall finden wir im Paket eine Rechnung, ansonsten nehmen wir mit dem Warenbesteller Kontakt auf.

Wie hoch ist die Erfolgsquote bei den kontrollierten Sendungen?

Pro Tag öffnen wir rund 1200 Sendungen. Bei vier von fünf Sendungen liegen wir mit unserem Verdacht richtig.

Sprechen wir über illegale Warenimporte: Wie viele gefälschte Louis Vuitton-Taschen bleiben pro Tag in Ihren Kontrollen hängen?

Fünf bis sieben. Verstösse gegen den Markenschutz ist das häufigste Delikt. Hinzu kommt der Import verbotener Substanzen: nicht zugelassene Medikamente oder Betäubungsmittel. Uns muss keiner sagen, wann in Zürich die Street Parade bevorsteht – das erkennen wir an «unserem» Wareneingang.

Nennen Sie uns die drei kuriosesten Sendungen, die Ihnen in den fünf Jahren als Standortleiter Postverzollung unter die Augen gekommen sind?

Damit könnte ich ganze Bücher füllen! Die Leute sind unglaublich kreativ, wenn es darum geht, etwas ins Land zu schmuggeln. Kurios war das Spielzeugauto, in dessen Reifen Drogen versteckt waren, bedenklich die Dopingsendung für einen bekannten Fussballprofi und makaber das Paket mit einem halb verwesten menschlichen Schädel.

Sie pendeln aus dem Süddeutschen zur Arbeit. Wo wird strenger kontrolliert: am Rheinübergang oder in Mülligen?

Eine schwierig zu beantwortende Frage. Ich bin überzeugt, dass die Zöllner wie wir einen richtig guten Job machen. Aber wenn ich schon einen Vergleich zwischen Rheinübergang und Mülligen ziehen soll, dann den: Am Grenzübergang Rheinfelden kommt es aufgrund der Kontrollen öfters zu Verkehrsbeeinträchtigungen. Anders in Mülligen: Da werden die Pakete in der Regel ohne Rückstau verarbeitet. Darauf sind wir stolz!

Importverzollung

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