«Eine Idee ist noch keine Innovation»

Sprachnavigation

«Eine Idee ist noch keine Innovation»

Innovativ: Manager und Werber verwenden den Begriff inflationär. Es gibt innovative Schnürsenkel und innovative Joghurts. Doch: was genau ist Innovation? Und: warum ist sie für Unternehmen existenziell? Roland Keller* kennt die Antworten. Er arbeitet als Innovationsexperte bei der Schweizerischen Post.

Wer bei Google die beiden Suchbegriffe «innovativ» und «Schweizerische Post» eingibt, erhält 88 600 Treffer. Das Beispiel zeigt: Der Begriff «innovativ» wird gern und oft verwendet. Doch steckt, wo innovativ draufsteht, auch Innovation drin? «Nicht immer», sagt Roland Keller. «Eine Erfindung oder eine neue Idee ist per se noch keine Innovation.» Von Innovation könne man erst reden, wenn sich etwas Neuartiges am Markt durchsetze. Kurz: «Innovation ist, wenn der Kunde bereit ist, dafür zu bezahlen.»

Womit auch schon gesagt wäre, weshalb Innovation für wettbewerbsorientierte Unternehmen zentral ist. Unternehmen arbeiten in einem Umfeld, das sich ständig verändert: neue Technologien, neue Gesetze, neue Konkurrenten, neue Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Konsumenten. Wer seine Produkte und Dienstleistungen auch in Zukunft verkaufen will, muss mit diesen Entwicklungen und Veränderungen Schritt halten. «Es reicht aber nicht, das Bisherige einfach besser zu machen», sagt Roland Keller. «Wer sich in einem Umfeld, das sich exponentiell verändert, bloss linear entwickelt, wird abgehängt. Optimierung ist zu wenig. Es braucht Innovation.»

Auf permanente Innovation angewiesen

Roland Keller erläutert an einem Beispiel, wie das zu verstehen ist. «Früher stimmten die Bürgerinnen und Bürger an der Urne ab, heute mehrheitlich am Briefkasten. Abstimmen per Post: Das war eine Innovation und ist für unser Unternehmen ein Geschäft. Doch was nützt es, die Briefpost zu optimieren, wenn die Leute bald am Bildschirm abstimmen?» Deshalb hat die Post eine E-Voting-Lösung entwickelt. Roland Keller sieht darin die Fortsetzung des Kerngeschäfts mit anderen Mitteln: «Wir bringen Information von A nach B. Ob physisch oder elektronisch ist nicht die entscheidende Frage.»

Die Post sei auf vielen Feldern herausgefordert und auf permanente Innovation angewiesen. «Postauto muss sich mit den Folgen von Uber auf den öffentlichen Verkehr befassen, die Paketpost mit der zunehmenden Verbreitung von 3-D-Drucken auf die Distributionslogistik und die Poststellen mit der fortschreitenden Digitalisierung von Dienstleistungen – um ein paar Beispiele zu nennen.» Die Post brauche überzeugende Antworten auf solche Entwicklungen, wolle sie nicht aus ihrem Kerngeschäft verdrängt werden. Stellt sich also die Frage, wie Innovation entsteht und wie sie gefördert werden kann?

Ideen entwickeln und ausprobieren

«Wir beobachten gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Trends genau, analysieren Veränderungen und überlegen, was sie für uns bedeuten», sagt Roland Keller. Aktuell hat die Post sieben Entwicklungspunkte definiert (siehe Kasten). «In diesen Feldern entwickeln wir mit bewährten Kreativmethoden Ideen.» Diese Kreativphase finde innerhalb und ausserhalb der Post statt. So biete die Post im Rahmen von «PostVenture» ihren Mitarbeitenden aber auch Jungunternehmern Coachings und finanzielle Unterstützung für die Ausarbeitung ihrer Geschäftsideen an. Die Post sei national und international vernetzt, arbeite mit Hochschulen, Start-ups sowie mit etablierten Klein- und Grossunternehmen zusammen. «Selbst unsere Kunden können ihre Ideen und Anregungen einbringen.»

Verspricht eine Idee die Lösung für ein Problem, beginnt die Phase des «Pröbelns». Versuch und Irrtum. Roland Keller: «Wir gehen in kleinen Schritten und gemeinsam mit unseren Partnern vor. Wir bauen zuerst die Kernelemente einer Lösung und schauen, wie die Kunden darauf reagieren.» Es sei besser, die Kunden eine Innovation erleben zu lassen, als sie bloss zu befragen. Annahmen treffen, umsetzen, validieren, verbessern: Dieser iterative Ansatz bewähre sich in einer komplexen und sich schnell wandelnden Welt am Besten. Die beiden zentralen Fragen dabei lauteten immer: «Lösen wir das Problem? Und: Ist unsere Lösung markttauglich? Lautet die Antwort zweimal ja, haben wir Innovation.»

Positive Erlebnisse vermitteln

Ein aktuelles Beispiel, um diesen Prozess zu illustrieren, sei der Einsatz von Drohnen in der Zustellung, sagt Roland Keller. «Wir haben Drohnen als wichtigen Trend identifiziert und uns überlegt, was er für die Post bedeutet. Danach haben wir diese Technologie zuerst auf einer Wiese getestet.» Der Markt habe schnell positive Signale gesendet. Drohnen könnten in Zukunft klassische Zustelllösungen ergänzen – insbesondere bei Spezialsendungen. «Seit März 2017 testen wir in Lugano den Transport von Laborproben für Spitäler, um Erfahrungen zu sammeln, die Lösung zu verfeinern und den Nutzen für das Spital und die Patienten zu klären.»

Stichwort Drohnen: Wer innovativ ist, muss auch mit Widerstand rechnen. Drohnen stossen in Teilen der Bevölkerung auf Skepsis. «Stimmt», sagt Roland Keller. «Unbekanntes löst oft Ängste aus.» Deshalb sei es umso wichtiger, dass die Betroffenen die Innovation erleben könnten. «Aktive Kommunikation ist wichtig, aber positive Erlebnisse wirken nachhaltiger.»

*) Roland Keller ist Leiter Innovation Culture bei Entwicklung & Innovation

Entwicklung & Innovation

PostVenture

Mit dem Programm PostVenture sucht die Post gezielt nach frischen Ideen, mit denen sie ihre Angebote vorantreiben kann. Sie konzentriert sich dabei auf sieben Entwicklungsschwerpunkte: E-Commerce, Mobilität, digitale Finanzdienstleistungen, Digital Trust, Cross-Channel Communication, BPO (Business Process Outsourcing) sowie Vertrieb und Lösungen.

PostVenture


Fanden Sie diesen Artikel interessant?

Melden Sie sich für unseren Newsletter an.

Jetzt anmelden