Chinesischer Blick auf die Post

Ein Gespräch über Innovation, Arbeiten und das Leben in der Schweiz

Ein Portrait von Lukas Krienbuehl.
Lukas Krienbuehl
Work at Post, Blog
Jiayun Shen während dem Gespräch über Innovation, Arbeiten und das Leben in der Schweiz.

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Ich wollte von meiner chinesischen Arbeitskollegin Jiayun Shen (26) erfahren, was sie in der Schweiz am meisten überrascht hat und wie sie ihre Arbeit bei der Schweizerischen Post erlebt. Einerseits arbeitet sie in der Abteilung Entwicklung und Innovation der Post in Bern, anderseits schreibt sie ihr Doktorat an der ETH LausanneTarget not accessible bei Professor Matthias Finger. Das Gespräch haben wir auf Deutsch geführt, da Jiayun nach einem Masterstudium in Deutschland und zweieinhalb Jahren bei uns fast perfekt Deutsch spricht.

Was hat dich am meisten überrascht als du bei der Post angefangen hast?

Als ich nach Deutschland und dann in die Schweiz zur Post gekommen bin, hatte ich keinen Kulturschock. In China habe ich in Shanghai studiert und zuvor in Huzhou gelebt. Das ist eine sehr angenehme, mit 2,5 Mio Einwohnern für uns kleine Stadt etwa zwei Fahrstunden von Shanghai entfernt. Meine Generation vor allem in dieser Region ist sehr weltoffen: Wir hatten auch Zugang zu westlichen Medien.

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Altstadt von Huzhou

Altstadt von Huzhou

iStock.com/I'm ZhangYuQiu

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Blick auf die am See gelegene Stadt Huzhou

Blick auf die am See gelegene Stadt Huzhou

iStock.com/OceanFishing

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Doch mein Bild vom «Westen» bezog sich vor allem auf die USA. So dachte ich, man müsse im Westen immer sehr direkt, fast aggressiv sein. Dies entspricht gar nicht der traditionellen chinesischen Kultur. So hatte ich doch eine Überraschung: Ich erlebe meine Kolleginnen und Kollegen bei der Post als viel indirekter und zurückhaltender, als ich es mir in China gewohnt war. Doch passt dies sehr gut zu mir. Darum habe ich mich in der Schweiz sofort wohl gefühlt. 

Ich habe auch meine Mühe mit den sehr starren Hierarchien in chinesischen Staatsunternehmen. Das erlebe ich in meiner Arbeit bei der Post ganz anders: Hier kann ich meine Meinung sagen und wenn sie überzeugend ist, wird sie von meinen Vorgesetzten auch berücksichtigt.

Du hast für Innovationsspezialisten der Post einen Aufenthalt in China organisiert: Was hat unsere Kolleginnen und Kollegen besonders erstaunt?

In Peking war der Himmel stahlblau und die Luft wenig verschmutzt: Das war die erste Überraschung. Wir haben erfahren, dass der China-Afrika-Gipfel während unseres Aufenthaltes stattfand. Es gibt in China allerdings Gerüchte, dass die Regierung bei besonderen Anlässen im Voraus mit Wolkenraketen künstlich den Regen auslöst, damit danach die Sonne scheint.

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Der Aufenthalt hat uns erlaubt, interessante Jungunternehmen und Technologiefirmen zu identifizieren und kennenzulernen. Die Kollegen waren beeindruckt zu sehen, wie neue Technologien, beispielsweise Videokameras und Gesichtserkennung, in China breitflächig eingesetzt werden und alte Systeme verdrängen. So sind Banknoten beim Zahlungsverkehr fast komplett verschwunden.

In China muss nicht immer alles zu 100 Prozent klappen, bevor es den Markt erobern kann. Die Menschen sind sich derart an Veränderungen gewöhnt, dass sie sich im Vergleich zur Schweiz sehr schnell an neue Lösungen und Technologien anpassen. Es gibt auch ein Sprichwort dazu: Egal ob die Katze schwarz oder weiss ist, solang sie die Maus fängt, ist es eine gute Katze.

Du schreibst deine Doktorarbeit zu Innovationen in China und der Schweiz: Was können wir voneinander lernen?

Schweizer Unternehmen sind sehr gut bei der Technologieentwicklung und der schrittweisen Innovation. Die Marktentwicklung von neuartigen Lösungen ist hingegen schwieriger, weil einerseits der Markt hierzulande so klein ist. Andererseits ist die Risikobereitschaft, denke ich, auch nicht so hoch. In China entwickeln Unternehmen nicht unbedingt die Technologie, dafür sind sie stark beim Einführen von neuen Geschäftsmodellen. Kurz: In China macht man Geld mit Technologien, die anderswo entwickelt werden.

Was vermisst du in der Schweiz und worauf möchtest du nicht mehr verzichten?

Die Vielfalt an Gemüse und Früchte, die es in China gibt, fehlt mir manchmal. Da ich aber nicht so viel Zeit habe, koche ich meistens einfache Mischungen von europäischen und chinesischen Gerichten. Sollte ich nach China zurückkehren, so würde ich jedoch sehr vieles vermissen ((lacht)): die Berge, den Schnee, meine Freunde in der Schweiz. Und das einfache Leben hier.

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verfasst von

Lukas Krienbuehl

Project Manager, Open Innovation