Menschen

«Das Schönste ist, wenn man als Ersatzmutter akzeptiert wird»

Postzustellerin Fränzi Wechsler (50) verbringt ihre Ferien in Auffangstationen für Wildtiere – am liebsten in Afrika. Als freiwillige Helferin kümmert sie sich um verwaiste und pflegebedürftige Tiere.

Sandra Gonseth

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Fränzi Wechsler arbeitet in verschiedenen Auffangstationen mit Wildtieren.
Die Pöstlerin Fränzi Wechsler hat als freiwillige Helferin in Auffangstationen für Wildtiere schon unzähligen Tieren wieder auf die Beine geholfen.

«Nur einmal gab es eine wirklich gefährliche Situation», erinnert sich Fränzi Wechsler, Briefzustellerin in Schwarzenburg. Sie fütterte in Borneo gerade die Jungelefanten, als ein Tier sie an die Brüstung des Geheges drängte. «Ich war ganz alleine und schrie um Hilfe.» Der Druck auf ihren Brustkorb wurde immer stärker. In allerletzter Sekunde schaffte Fränzi es zum Glück, sich am Geländer hochzuziehen und darüber zu klettern. Doch auch solche Momente lassen die Zustellerin nicht an ihrem Engagement für Wildtiere zweifeln. «Angst ist fehl am Platz. Man muss den Tieren mit dem nötigen Respekt begegnen, denn auch wenn sie sich an die Menschen gewöhnen, bleiben es wilde Tiere.»

Fränzi Wechsler arbeitet in verschiedenen Auffangstationen mit Wildtieren.
Fränzi Wechsler in Afrika, sie sitzt neben einem betäubten Nashorn.

Schlaflos, aber glücklich

Fränzi engagiert sich seit bald 30 Jahren in Auffangstationen für Wildtiere auf der ganzen Welt. Dort werden verletzte oder verwaiste Tiere gepflegt und gehegt, bis man sie im besten Fall wieder in die freie Wildbahn entlassen kann. Oft sind es Jungtiere, die durch Wilderer ihre Mutter verloren haben. Diese, manchmal erst einen Tag alten Tiere, bekommen während der ersten zehn Tagen alle zwei Stunden ihren Schoppen. Eine richtig strenge Zeit: «Man schläft nur noch im Stundenrhythmus, ist völlig kaputt.» Zudem sei es immer ein «Chrampf», bis das Baby keine Angst mehr hat und weiss, wie es am Fläschchen nuckeln muss. «Das Schönste ist, wenn man als Ersatzmutter akzeptiert wird.»

Fränzi Wechsler hält ein Eichhörnchen in ihren Händen.

Tiere an erster Stelle

Fränzi Wechsler lebt alleine und ist kinderlos. Sind die Tiere auch eine Art Kinderersatz? «Nein», betont die gebürtige Solothurnerin mit Basler Dialekt. «Ich wollte nie Kinder haben.» Schon immer sei sie eine Tiernärrin gewesen. «Ich habe mein Leben den Tieren verschrieben. Sie kommen immer an erster Stelle.» Doch diese Tierliebe hat auch ihre Grenzen. «Wildtiere sollten nie aus ihrem natürlichen Umfeld herausgerissen werden. Und natürlich tue es weh, sie wieder in die Freiheit zu entlassen oder mitzubekommen, dass ein Tier nicht überleben wird.» Man werde nicht nur mit Leben und Tod konfrontiert, sondern auch mit kulturellen Unterschieden. So wird den Tieren, die es gesundheitlich nicht schaffen, die Kehle durchgeschnitten oder sie werden erschossen. Fürs Einschläfern fehlen die finanziellen Mittel.

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Fränzi wird sesshaft

Vor ein paar Jahren ist die abenteuerlustige Pöstlerin sesshaft geworden. Sie hat einen Vollzeitjob als Zustellerin bei der Post angenommen. Der ideale Job für Fränzi, die nicht stillsitzen kann und ihre Freizeit am liebsten auf den BerggipfelnTarget not accessible verbringt. Sie hat bereits die Lehre bei der Post gemacht und über die Jahre in verschiedenen Bürobereichen des Unternehmens gearbeitet. Doch oft hat sie die Zelte in der Schweiz wieder abgebrochen: für die Orang-UtansTarget not accessible in Borneo, die Kängurus in Australien und immer wieder für AfrikaTarget not accessible. Ihren absoluten Lieblingskontinent, weil dort die Vielfalt der Tiere so unglaublich sei. «Mein grösster Wunsch, nämlich einen Beruf mit Tieren auszuüben, wird wohl immer nur ein Traum bleiben.» Deshalb hat sie ein Zimmer ihrer Wohnung als Pflegestation für KatzenTarget not accessible eingerichtet. «Ideal, da ich als Zustellerin am Nachmittag zu Hause bin.» Und so Corona will, wird Fränzi ihre nächsten Ferien wieder in Afrika verbringen. In einer Auffangstation. Denn was gibt es Schöneres, als bei untergehender Sonne mit einem jungen Löwenbaby durch den Busch zu spazieren.

Fränzli Wechsler liegt neben einer Raubkatze im Gras. Beide sind am Gähnen.

Fränzis Reiseberichte 

Fränzi Wechsler betreibt eine eigene WebseiteTarget not accessible, auf der sie über ihre Arbeit als freiwillige Helferin berichtetTarget not accessible. Zudem schreibt sie Reiseberichte für das GlobetrottermagazinTarget not accessible.

verfasst von

Sandra Gonseth

Redaktorin

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