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Unterwegs zur Tour 23 in Le Lignon

In der Genfer Siedlung Le Lignon liefert die Post auf einer Strecke von etwas mehr als einem Kilometer Briefpost an rund 6500 Personen. Das ist eine grosse logistische Herausforderung an einem Ort, der vom Kanton Genf unter Denkmalschutz gestellt wurde und dessen Gebäudekomplex als das längste Wohnhaus der Schweiz gilt.

Florence Herndl

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Hocine Djeffal ist seit zwei Jahren Postbote in Le Lignon im Kanton Genf. © François Wavre
Hocine Djeffal ist seit zwei Jahren Postbote in Le Lignon im Kanton Genf. © François Wavre

Mittwoch, 6. Juli, 07.00 Uhr. Le Lignon in der Gemeinde Vernier im Kanton Genf bewegt sich schon frühmorgens im Rhythmus seiner Bewohnerinnen und Bewohner. Der Himmel ist strahlend blau. Bunte Rollläden werden heruntergelassen, was darauf hindeutet, dass es heiss wird. Die Terrassen der Cafés füllen sich mit den morgendlichen Arbeiterinnen und Arbeitern.

In den Räumlichkeiten der Postfiliale im Herzen des Quartiers ist das Team mit der Vorbereitung der Tour beschäftigt. Hocine, Catherine, Giuseppe, Nadège, Phil, Antony, Panasiti, Mohamed und Georges bearbeiten täglich rund 23 000 Briefe und 800 Pakete.

Der Gebäuderiegel von Le Lignon. © Keystone
Der Gebäuderiegel von Le Lignon. © Keystone

Eine Stadt in der Stadt

Auf knapp 1060 Metern Länge lebt eine riesige Kundschaft. Le Lignon besteht aus einem fünfzehnstöckigen, langgestreckten Hauptgebäude, das nur von zwei Türmen unterbrochen wird. Der Gebäudekomplex wurde in den 60er-Jahren gebaut und beherbergt heute 84 Eingänge, 2780 Wohnungen, Unternehmen und Vereine, eine Schule, zwei Kirchen und ein Einkaufszentrum.

Drei Mitarbeitende kümmern sich heute um die Postzustellung im Le-Lignon-Riegel. Davon sind zwei zu Fuss und jemand mit einem elektrischen Zustellfahrzeug unterwegs.

Teamchef Georges Comelli (Mitte) zieht Bilanz über die Tagestour. ©François Wavre
Teamchef Georges Comelli (Mitte) zieht Bilanz über die Tagestour. ©François Wavre
In Le Lignon arbeitet man in einer angenehmen Atmosphäre. ©François Wavre

«Ich kenne hier jede und jeden»

Der Postbote Hocine Djeffal ist zuständig für die Tour 23. Dreieinhalb Stunden wird er etwa benötigen, um 32 Eingänge – mit den Nummern 28 bis 59 – und über 1100 Briefkästen zu bedienen.

Hocine ist zu Fuss mit einem sogenannten «Bérot» unterwegs, einem kleinen Postwagen, der zwar schon über 30 Jahre alt ist, sich aber an Orten wie diesem mit unzähligen Gängen, Treppenhäusern, engen Stufen und Aufzügen bewährt hat.

Hocine tut zunächst einem Kollegen einen Gefallen und durchquert das Einkaufszentrum, um der Bäckerei und dem Kiosk die Post zu bringen. Die Bäckerin ruft ihm zu: «Guten Tag, Hocine!» «Guten Tag, geht es dir gut? Ich bringe dir die Zeitung», antwortet ihr der Postbote mit einem Lächeln.

«Ich kenne hier jede und jeden», sagt er, der seit zwei Jahren in Le Lignon arbeitet und zuvor schon in anderen Postfilialen des Kantons Genf beschäftigt war.

In Le Lignon arbeitet man in einer angenehmen Atmosphäre. © François Wavre

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Solidarität und Hilfsbereitschaft in Le Lignon eine Selbstverständlichkeit

In Richtung der Wohnhäuser. Unermüdlich erledigt Hocine eine Aufgabe nach der anderen. Z. B. öffnet er die Türen mit einem Code, wirft die Sendungen in die Briefkästen ein, klingelt, um für eingeschriebene Sendungen eine Unterschrift einzuholen, lässt bei Abwesenheit eine Abholungseinladung da oder scannt den Standort der Sendung ein (damit die betroffene Person sie verfolgen kann).

Dem Postboten begegnen unterwegs einige Bewohnerinnen und Bewohner. Die Stimmung ist warm und herzlich. In dieser Siedlung, in der nicht weniger als 104 Nationalitäten unter einem Dach zusammenleben, grüsst man sich. Manchmal muss man sich für ältere Menschen oder Personen mit Behinderung mehr Zeit nehmen.

«In Le Lignon haben wir eine sehr gute Beziehung zu unserer Kundschaft. Wenn wir hier sind, grüssen uns alle. Zum Jahresende bedanken sich die Bewohnerinnen und Bewohner bei uns für unsere Arbeit».

Hocine begegnet Antonio, der sich seit über 20 Jahren als Hauswart um die Gebäude 50 bis 53 kümmert. «Der Herr vom zehnten Stock hat heute seine Post nicht abgeholt», spricht ihn Hocine an. «Ich weiss, er musste ins Spital gebracht werden. Ich gebe die Post seinem Sohn, wenn ich ihn sehe». Solidarität und Hilfsbereitschaft sind in Le Lignon eine Selbstverständlichkeit.

In Le Lignon gibt es unzählige Briefkasten. © François Wavre
In Le Lignon gibt es unzählige Briefkasten. © François Wavre
Der Postwagen ist für die Zustellung in Le Lignon sehr praktisch ©François Wavre

Ein leistungsstarkes und effizientes Zustellsystem

«Ich richte mich auf jeder Tour nach den Bedürfnissen der Kundschaft», erklärt Hocine. Die Organisation ist straff. Im Wagen sind die Briefe und Pakete nach Zustellroute sortiert. «Wir haben ein Ordnungssystem, das uns dabei hilft, die Post zeitsparend zuzustellen. Eine gute Organisation ist das A und O, um angenehm arbeiten zu können», betont er weiter.

Vor und nach der Tour arbeitet Hocine in der Postfiliale. Er aktualisiert die Adressen von Kundinnen und Kunden, kümmert sich um nicht zugestellte Sendungen und überlegt, was er bei seinen nächsten Touren noch verbessern könnte.

Die Filiale in Le Lignon legt grossen Wert auf eine effiziente Organisation, um einen qualitativ hochwertigen Service zu bieten, der an das schwankende Brief- und Paketaufkommen angepasst werden kann.

Der Postwagen ist für die Zustellung in Le Lignon sehr praktisch © François Wavre

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Am Ende der Tour macht der Hauswart Antonio für uns eine Ausnahme und führt uns in den 15. Stock, um uns die Aussicht zu zeigen.

Im Hintergrund, nur einen Steinwurf von Le Lignon entfernt, wird ein neues Quartier gebaut. Für die Postfiliale in Le Lignon birgt dieser Umstand eine neue Herausforderung. Denn schon bald muss die Postversorgung für die neuen Einwohnerinnen und Einwohner gewährleistet sein. Das Ziel ist es, die Briefe und Pakete mit demselben Lächeln und in derselben Qualität wie in Le Lignon zuzustellen.

verfasst von

Florence Herndl

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