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«E-Voting wird die Beteiligung an Wahlen und Abstimmungen erhöhen.»

Über 630 000 Personen, die im Ausland leben, sind in der Schweiz stimmberechtigt. Carmen Trochsler ist eine von ihnen. Als gebürtige St. Gallerin freut sie sich besonders, dass dank E-Voting die politische Teilhabe in ihrer alten Heimat bald unkompliziert möglich ist.

Stefan Kern

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Frau Trochsler, zuerst einmal herzliche Grüsse nach Adelaide. Sie sind in der Schweiz geboren, leben aber nun schon seit 13 Jahren in Australien. Wie kam es dazu?

Es war eine grosse Portion Abenteuerlust, kombiniert mit der Gelegenheit, in Australien zu arbeiten. Geplant war ein Aufenthalt von zwei Jahren mit meinem Mann und unserem damals dreijährigen Sohn. Es hat uns dann so gut gefallen, dass wir immer wieder noch ein Jahr angehängt haben. Unser zweiter Sohn ist hier zur Welt gekommen.

Sie engagieren sich im Auslandschweizerrat. Warum? 

Ich schätze die Auseinandersetzung mit Themen, die für Auslandschweizer wichtig sind. Durch meine juristische Ausbildung und die ehemalige Tätigkeit im EJPD bin ich vertraut mit den politischen und gesetzgeberischen Prozessen. Das Engagement ist eine Brücke zur Heimat und ein Weg, mit verschiedenen Interessengruppen zusammenzuarbeiten, um nachhaltige Lösungen zu finden.

Da freut es Sie sicher, dass der Kanton St. Gallen zu den Vorreitern gehört und E-Voting – wenn auch vorerst nur im Versuchsbetrieb – in diesem Juni wieder einführt?

Ja, ich sehe es als Privileg, dass ich nach vier Jahren wieder abstimmen kann. E-Voting ist zeitgemäss. Wir leben in einer digitalisierten Welt. Wir haben bereits E-Education, wir haben E-Commerce und E-Administration, da sollten wir auch elektronisch abstimmen können. Meine Freude ist gross, dass St. Gallen zusammen mit Basel-Stadt und Thurgau zu den ersten Kantonen gehört, die elektronische Wahlen wieder möglich machen.

Wie dürfen wir uns Ihren derzeitigen Urnengang vorstellen? 

Wir können nur postalisch abstimmen, und wegen der Grösse des Stimmcouverts kostet der Standardversand umgerechnet etwa 10 Franken. Da Australien nicht um die Ecke liegt, spielt der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle. Je nach Datum des Eintreffens der Stimmunterlagen muss man abschätzen, ob die Rücksendung rechtzeitig wieder in der Schweiz eintrifft. Es gibt Abstimmende, die dann Express oder Kurier wählen für die Rücksendung. Das macht gut und gerne 30 bis 60 Franken. E-Voting hingegen ist schnell, einfach und für uns Wählerinnen und Wähler kostenlos. 

Würden mit E-Voting mehr Auslandschweizerinnen und -schweizer ihre politischen Rechte wahrnehmen?

In Zeiten von Covid kamen die Unterlagen oft spät an. Dann stand die Frage im Raum: Ist mir die Abstimmung so wichtig, dass ich die Kosten für Express oder Kurier nicht scheue? Da haben viele, ich eingeschlossen, nicht mehr abgestimmt. Und das ist schade. Daher: Ja, ich bin sicher, dass E-Voting die Beteiligung von Auslandschweizerinnen und -schweizern erhöhen wird. 

Sie sind Juristin, wie sieht es da in Sachen Sicherheitsbedenken in Bezug auf E-Voting aus?

E-Voting ist eine logische Konsequenz der IT-gestützten Modernisierung jeglicher Verwaltungsprozesse. Gleichzeitig ist Abstimmen ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie, und fehlerhafte Abstimmungen müssen vermieden werden. Den Sicherheitsbedenken wurde mit einer grundlegenden Überprüfung Rechnung getragen. Das neue System wurde durch Hackerinnen und Hacker getestet. Ich habe Vertrauen, dass meine Stimme sicher ankommt.

Wieso ist es wichtig, dass Schweizerinnen und Schweizer fernab der Heimat überhaupt bei politischen Fragen mitbestimmen dürfen?

Viele Auslandschweizerinnen und -schweizer haben Eigentum, geschäftliche oder wissenschaftliche Beziehungen sowie Familie in der Schweiz und sind weiterhin verbunden mit ihrer alten Heimat. Auch hat sich die durchschnittliche Aufenthaltsdauer verkürzt: Viele wandern nicht mehr nicht für den Rest ihres Lebens aus, sondern kehren nach ein paar Jahren zurück. Insofern sind viele weiterhin betroffen von Entscheiden. Es soll ihnen möglich sein, auch aus dem Ausland ihre Stimme abgeben zu dürfen.

Über Carmen Trochsler

Geboren und aufgewachsen im St. Galler Rheintal, Ausbildung an der HSG und mehrjährige juristische Tätigkeit beim EJPD in Bern – Carmen Trochsler ist auf jeden Fall eine echte Schweizerin. Im Jahr 2010 ging sie mit ihrem Mann und ihrem ersten Kind nach Australien und lebt noch immer dort. Den Bezug zur Heimat hat sie jedoch nie verloren, weshalb sie als Vertreterin im Auslandschweizerrat in Übersee tätig ist.

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Ab sofort können alle Interessierten E-Voting kennenlernen und ausprobieren. Die Post stellt eine Testplattform zur Verfügung, bei der alle den Prozess der elektronischen Stimmabgabe durchspielen können. Im Video zeigen wir die wichtigsten Funktionen. Hier geht es zur E-Voting-Testplattform.

E-Voting-Testplattform

Video: Testplattform für E-Voting

Auf der Testplattform können Interessierte an einer fiktiven Abstimmung teilnehmen.

verfasst von

Stefan Kern