Unser Engagement
Abstecher in eine andere Welt
Auf der Melchsee-Frutt lässt sich im Winter nicht nur gut Ski fahren, sondern auch entspannt wandern. Der Rundweg zur Tannalp bietet Sonne, Stille und eine atemberaubende Berglandschaft.
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Bahnhof Sarnen, halb 10 Uhr morgens. An der Postauto-Haltestelle wartet bereits eine bunt durchmischte Gruppe auf den nächsten gelben Bus. Alle haben dasselbe Ziel: Melchsee-Frutt. Eine Mutter hat ihre Tochter an der einen und einen Schlitten in der anderen Hand, zwei junge Frauen haben ihre Schneeschuhe an die Rucksäcke geschnallt, einige Seniorinnen sind mit Wanderrucksäcken unterwegs. Zu den Wartenden gesellen sich auch ein paar Skifahrerinnen und Skifahrer, bereit für die Piste. Auch wenn Sarnen heute nur ein Zwischenhalt ist, wäre das Dorf durchaus einen längeren Besuch wert. Der Hauptort des Kantons Obwaldens liegt idyllisch am Sarnersee, umgeben von einer imposanten Bergkulisse. Der historische Ortskern besticht durch gut erhaltene traditionelle Gebäude und enge Gassen, die ihren mittelalterlichen Charme bewahrt haben. Berühmt wurde Sarnen, als die deutsche Fussballlegende Franz Beckenbauer in den 70er-Jahren aufgrund eines umstrittenen Steuerdeals hier lebte. Er spendete der Gemeinde eine Tennishalle, in der heute aber nur noch Kühlschränke gelagert werden. Auf die Minute pünktlich kommt das Postauto mit der Nummer 343 um die Ecke, füllt sich in Windeseile bis fast auf den letzten Platz und fährt los. Am Steuer sitzt Frank Christen.
«Guete Morge mitenand», begrüsst er alle Gäste, die im Laufe der rund halbstündigen Fahrt zusteigen. Station um Station schlängelt sich der gelbe Bus das Melchtal hoch. Noch sind die Wiesen grün-braun. Das historische Jugendstilhotel Paxmontana zieht in Flüeli-Ranft vorbei, als sei an diesem Ort die Zeit stehen geblieben. Seit genau 100 Jahren fahren auf dieser Strecke Postautos. Vor einer besonders unübersichtlichen Kurve lässt Frank dreimal das legendäre Posthorn erschallen. Die kleinsten Passagiere ahmen das «Dü-Da-Do» laut nach, und selbst die älteren Fahrgäste können sich ein verstohlenes Lächeln nicht verkneifen.
Ein Hauch Historie
Der Bus erreicht die Stöckalp und somit das Ende des Melchtals. Im Sommer dürfen Autos eine enge, kurvige Strasse weiter zur Frutt hochfahren. Im Winter wird diese Bergstrasse zur beliebten Schlittelpiste, und das kleine Bergdorf ist nur per Gondelbahn erreichbar. Diese wurde 2012 zum letzten Mal modernisiert und bietet eine bequeme Verbindung auf das Hochplateau, das heutige Wanderziel. Bevor für Buschauffeur Frank die Rückfahrt nach Sarnen ansteht, trinkt er gewöhnlich im kleinen Stationsbistro einen Kaffee. Heute opfert er seine Znünipause für das Fotoshooting und folgt vor den Augen neugieriger Tagestouristen seelenruhig den Anweisungen des Fotografen. «Kein Problem, ich kenne das, ich bin im Theaterverein», beruhigt der um seine Pause geprellte Postauto-Fahrer. Den Kaffee gibt’s heute ausnahmsweise im To-go-Becher. Die Gondel benötigt eine Viertelstunde, um sanft von 1080 auf 1920 Meter über Meer zu schweben. Nebelschwaden weichen im Laufe der Fahrt den Sonnenstrahlen, braune Wiesen verwandeln sich in eine Schneelandschaft. Der Neuschnee der Nacht liegt wie Puderzucker auf den hohen Tannen, die den Weg der Seilbahn säumen, bis diese die Baumgrenze übersteigt. Die Gondel bietet 15 Personen Platz. Ein Snowboarder erzählt, gestern sei ein «Horror-Tag» gewesen mit Regen und Sturm. Heute herrscht Wetterglück. Die Temperatur ist nach warmen Wochen winterlich kalt und der Himmel mehrheitlich blau. Nach der letzten Kuppe erscheinen die ersten Chalets der Frutt. Das kleine, hochalpine Bergdorf ist bekannt als Schnee- und Wanderparadies und hat einen familienfreundlichen Ruf. Aus dem meterhohen Schnee ragen die Spitzen des Spielplatzes, der im Sommer mit Seilbahn, Käse-Kugelbahn und Kirchturm aufwartet. Auch der «Fruttli-Weg», ein Lern- und Erlebnispfad zum Thema Murmeltiere, und der Wasserspielplatz direkt am See sind jetzt zugeschneit. Dass der Ort im Winter vollständig autofrei ist, freut nicht zuletzt Familien: Alle Wege sind schneebedeckt und sicher, mit dem Schlitten kommt man überall hin. Auch Skifahrerinnen und Snowboarder profitieren: Sie fahren von der Haustür aus direkt auf die Piste. Spätestens seit der «Blick» die Frutt zum wiederholten Mal in der Kategorie «Klein und fein» zum besten Skigebiet der Schweiz gekürt hat, ist der Ort kein Geheimtipp mehr. Überlaufen ist es hier aber selbst an Spitzentagen nicht. Im Sommer als Wandergebiet etabliert, bietet die Frutt auch im Winter Wanderrouten in allen Schwierigkeitsgraden vom anspruchsvollen Schneeschuh-Trail bis zum entspannten Winterspaziergang. Die heutige Route zur Tannalp dauert rund 2,5 Stunden, beinhaltet kaum Steigungen und ist auch für ungeübte Wandernde gut machbar.
Der erste Fang des Tages
Von der Gondelstation führt der Weg aus dem kleinen, verschneiten Dorf hinaus, oberhalb des Melchsees entlang. Auf dem zugefrorenen, glitzernden Bergsee haben sich Eisfischer gruppenweise eingerichtet. Fotograf Tom und ich steigen den Hang hinunter und statten ihnen einen Besuch ab. Den ersten und bisher einzigen Fang heute, so erfahren wir, habe «der da hinten» gemacht. Pius Glaus stellt sich ortsüblich als «Glaus Pius» vor. Sie kämen von einer «Metallbude aus Lungern», erzählt er. «Teambuilding!», lacht ein anderer. Nicht mehr viel zu lachen hat der Fisch, der regungslos im Schnee liegt. Er sollte eine Ausnahme bleiben an diesem sonnigen Tag, an dem alle, die wir antreffen, auffallend gut gelaunt sind. Auf Wunsch hält Hobby-Fischer Glaus seinen Fang für ein Foto geduldig hoch, mal gegen die Bergkulisse, mal vor den blauen Himmel. «Pius, wir sind zum Fischen hier, nicht fürs Fotoshooting», ziehen ihn jüngere Kollegen auf. Die Stimmung ist gut, der Weisswein durch den Schnee gekühlt, das Foto im Kasten. Wir verabschieden uns und stapfen zurück auf den Spazierweg.
Der Schnee knirscht unter unseren Füssen. Die unberührte Schneedecke glitzert in der Sonne. Die Luft hier oben ist zwar dünn, aber unglaublich frisch und rein. Am Wegesrand vor einer zugeschneiten Alphütte sitzt eine Frau in der Bergsonne, neben ihr ein Hund. Sie heisst Yolanda, er Kaio. Jede freie Minute verbringe sie mit ihrem Flat-Coated Retriever in den Bergen an der Sonne, verrät sie. Sie sei schnell hier oben, denn sie wohne ganz in der Nähe. «Am Hallwilersee», präzisiert sie überraschend – und ruft in Erinnerung, wie schnell man auch aus dem Mittelland auf knapp 2000 Metern über Meer ist. Der Wanderweg führt oberhalb einer 85-jährigen Kapelle am Melchsee vorbei. Sie ist ein beliebtes Fotosujet und lädt zu einem kurzen Zwischenstopp und Innehalten ein, mit Blick auf den See, das Dorf, das von hier klein aussieht, und das Bergmassiv im Hintergrund. Wir ziehen weiter, entfernen uns vom Melchsee und nähern uns Tannensee und Tannalp. Die roten Wanderwegpfähle am Wegrand signalisieren selbst bei schlechten Sichtverhältnissen zuverlässig, wo es lang geht. Der Weg ist gut präpariert und breit. Die Spaziergängerinnen und Spaziergänger haben ihn für sich allein, auch Schneefahrzeuge sind hier keine unterwegs. Stattdessen begegnen wir vielen Vierbeinern. Etwa dem Australian Shepherd Fiery. Monika aus dem Fricktal begleitet ihn. Er posiert geduldig vor der Kamera. «Fiery ist es gewohnt, fotografiert zu werden, wir fotografieren selbst hobbymässig», erklärt seine Halterin, die sich spontan für einen Tagesausflug an die Sonne entschieden hat.
Auf dem Weg zur Tannalp wandern wir durch eine unberührte Schneelandschaft, in deren Weite und Stille man sich fast auf einem fernen, mystischen Planeten wähnt. Melchsee-Frutt ist als Kraftort bekannt. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts zieht dieser Kurgäste aus aller Welt an. An den Standorten der damals prägenden Hotels Reinhard und Kurhaus stehen heute die zwei Gebäude des Luxushotels Frutt Mountain Resort, das mit seinen beiden Sonnenterassen mit Seeblick auch Wanderinnen und Wanderer zum Seelebaumeln einlädt.
Sekt aus Plastikgläsern
Nach ungefähr 45 Minuten erreichen wir den Tannensee. Auch er liegt unter einer dicken Eis- und Schneeschicht. Anja und Simon, ein junges Paar aus Zürich, haben sich mit ihren Schneeschuhen im Tiefschnee niedergelassen, trinken Sekt aus Plastikgläsern und machen Selfies für sich und die Daheimgebliebenen. Tom fotografiert sie ebenfalls, mit Blitz, trotz Sonnenschein. Etwas abseits beobachtet ein älteres Paar die Szenerie amüsiert. Der Herr erzählt, er sei vor seiner Pensionierung selbst Fotograf gewesen und habe schon damals Blitzlicht bei Sonnenschein verwendet. «Um die Schatten wegzukriegen. Das ist ein alter Hut!»
In der Ferne sind bereits die Häuser der Tannalp sichtbar – ein Gasthaus, eine Kapelle und ein paar Alphütten mit Käserei. Am Wegesrand bietet sich eine Sitzbank für eine Picknickpause an. Sie ist höhenverstellbar und kann somit den Schneeverhältnissen angepasst werden. Tom zaubert Cervelats, Brot und Apfelschnitze aus den Tiefen seines Fotografen-Rucksacks hervor. Nach einer knappen Stunde erreichen wir das Berggasthaus Tannalp, das den hintersten Punkt des Rundweges markiert. Hier gibt’s alles, was das Schneewanderer- und Langläuferinnenherz begehrt: Suppe, Sonnenterrasse und Suure Moscht. Wobei die Sonne sich mittlerweile etwas rargemacht hat. Von der Tannalp aus, wo im Sommer die Glocken der grasenden Kühe bimmeln und im Winter die Stille der Abgeschiedenheit herrscht, machen wir uns auf den Rückweg Richtung Melchsee-Frutt. Entgegen kommt uns Simon aus Basel. «Ich habe echt geschwitzt auf dem Hinweg», keucht er, Söhnchen Miro auf einem Davoser Schlitten hinter sich herziehend. Denn auch wenn der Weg gut präpariert ist, fast keine nennenswerten Steigungen aufweist und mit knapp 10 Kilometern übersichtlich kurz ist: Gehen auf Schnee ist mit der Zeit anstrengend. Gerade kleinere Kinder trifft man daher meist auf dem Schlitten an, gezogen von den Eltern. Der Weg führt um den Tannensee herum. Verschiedene Wege führen zurück zum Dorf. Alle sind ähnlich lang und gut markiert. Viel falsch machen kann man bei der Wahl nicht.
Obwaldner Gelassenheit
Es ist 16 Uhr, als wir zurück am Melchsee sind. Nur noch wenige Menschen sind nun unterwegs, vereinzelte Skifahrer fahren von der Piste zurück in ihre Hotels und Ferienwohnungen. Schwarze Bergdohlen kreisen am Himmel. Die letzten Sonnenstrahlen verschwinden hinter dem Brünig-Haupt, dem Berg, der zwischen der Frutt und der Älggi-Alp, dem Mittelpunkt der Schweiz, liegt. Auf den letzten Metern teilen sich Wanderer, Spaziergänger und Skifahrerinnen den Weg zurück ins Dorf.
Im familär geführten Dorfladen mit angeschlossenem Café und Spielzeugecke gibt es regionale Spezialitäten für die Heimfahrt: Kernser Backwaren und Bergkäse aus den umliegenden Alpkäsereien. Die letzte Gondel fährt unter der Woche um halb sechs zurück hinunter zur Talstation. Unten angekommen, wartet bereits eine Menschentraube vor dem noch geschlossenen Postauto. Die gelben Busse bieten die einzige Möglichkeit, mit dem öffentlichen Verkehr an- und zurückzureisen. Entsprechend voll ist das Postauto auf der Rückfahrt. Statt dem erwarteten «Ellbögeln» und gestresstem Reindrängen erwartet uns aber eine Lektion in Obwaldner Gelassenheit. Die Rückreisenden sind entspannt, witzeln herum, zeigen sich unbeeindruckt von den bescheidenen Platzverhältnissen. Und an jeder Haltestelle, an der weitere Passagiere einsteigen, werden Sprüche geklopft und am Ende noch irgendwo Platz geschaffen. Die Postauto-Fahrerin macht eine Durchsage: Wer nicht aussteigen wolle, solle vermeiden, versehentlich «Stopp» zu drücken – man drohe sonst den Anschlusszug in Sarnen zu verpassen. Auch sie sagt es so gelassen, dass die Passagierinnen und Passagiere gar nicht anders können, als den Hinweis zu befolgen. Und so kommt es, dass das Postauto pünktlich und in aller Ruhe den Zielbahnhof erreicht. Die Haltestelle in Sarnen scheint wie ein Übergangstor: Wir sind zurück aus einer anderen Welt auf knapp 2000 Metern. Eine andere Welt, die erstaunlich nahe liegt.
Die Post ist Hauptpartnerin der Schweizer Wanderwege und setzt sich für dieses einzigartige Wegnetz ein. Alle Infos zu dieser Wanderung sowie viele weitere Vorschläge für Winterwanderungen finden Sie unter post.ch/winterwandern.