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«Ich verlasse etwas, das mich zwölf Jahre lang jeden Tag begleitet hat»

Housi Köng legt Ende Februar 2024 sein Amt als CEO von PostFinance nieder. Im Gespräch blickt er zurück auf die zahlreichen Momente, die PostFinance und auch ihn besonders geprägt haben.

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Housi Köng, du blickst auf 21 Jahre bei PostFinance zurück, davon 12 Jahre als CEO. Damit bist du einer der dienstältesten Banken-CEOs in der Schweiz. Was hat dich so lange bei PostFinance gehalten?

Wir passen irgendwie zusammen. PostFinance ist eine grosse Bank, aber keine internationale Grossbank mit Headoffice in New York, Frankfurt oder London. Was bei PostFinance passiert, wird von der Schweiz aus gesteuert. Ich habe nie eine internationale Bankkarriere angestrebt, fühle mich mit der Schweiz, der Post und ihrer Geschichte verbunden. Wir haben einen Grundversorgungsauftrag für dieses Land, nicht nur finanziell, sondern auch gesellschaftlich. Es galt dabei immer, eine Balance zu finden zwischen den verschiedenen Stakeholdern, darunter auch die Politik. Dies bedingt, Kompromisse zu finden und auch bereit zu sein, Kompromisse einzugehen. Das entspricht mir. Und natürlich der dynamische Finanzmarkt und die Technologie, die es uns erlaubten, über die Jahre Innovationen voranzutreiben. Das alles hat mich so lange hier gehalten.

Hast du es jemals bereut, dass du nicht weitergezogen bist?

Hätte ich es mehrere Tage hintereinander bereut, dann wäre ich gegangen, ganz klar. Daher nein, ich habe es nie bereut. Was nicht heisst, dass es nicht manchmal mühsam oder anstrengend war.

In deiner Zeit als CEO bist du zahlreichen Herausforderungen gegenübergestanden. Welche Momente haben dich besonders gefordert?

Die Finanz- und Bankenkrise, besonders der 15. September 2008, der Konkurs von Lehman Brothers. Was in den Wochen danach geschehen ist, hat sich in mein Gedächtnis gebrannt. Damals trug ich als Finanzchef die Verantwortung für die Finanzanlagen. Quasi im Viertelstundentakt waren bedeutende Weltkonzerne in den Medien – wer überlebt, wer wird vom Staat gestützt. Von vielen dieser Konzerne hielten wir Obligationen. Ein weiterer besonderer Moment war zehn Jahre später die erfolgreiche Umstellung auf unser neues Kernbankensystem. Noch nie war mir ein so grosser Stein vom Herzen gefallen. Und auch der 15. Januar 2015, als die Nationalbank den Mindestkurs des Euro zum Schweizer Franken von 1.20 fallen liess, bleibt mir in Erinnerung. Das war der Start der siebenjährigen Negativzinsphase. Ein Tiefschlag für unser Geschäftsmodell, zugleich eine Chance für unser zinsunabhängiges Geschäft.

Was konkret ist daraus entstanden?

Viel Gutes. Ich denke dabei an die Gründung von TWINT – eine Idee, die mit meinem Zutun realisiert werden konnte. An die Entwicklung von PostFinance zur Anlagebank oder an YUH. All diese Geschichten sind noch lange nicht zu Ende. Dabei gesteuert und mitgestaltet zu haben, das erfüllt mich mit Stolz.

Es gab also schwierige Zeiten für PostFinance. Was hat das mit dir persönlich gemacht?

Es ist eine grosse Verantwortung und auch Belastung. Aber eine ebenso grosse Ehre, in diesen schwierigen Phasen so entscheidend mitzuprägen. Ich löse gerne Probleme, mag Herausforderungen, die schwierig und belastend sein können. Das ist wohl der Sportler in mir. Ich bin überzeugt, dass wir Stärke aus Episoden schöpfen, die manchmal etwas Schmerzen bereiten. Hingabe und Opferbereitschaft sind mit so einem Job verbunden.

Diese Hingabe und Leidenschaft haben wohl auch ihren Preis...

Nie komplett abzuschalten. Es gab keinen Tag, an dem ich mit meinen Gedanken nicht bei PostFinance war. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich in den letzten zwölf Jahren je mein Passwort vergessen hätte.

Worauf bist du besonders stolz?

Mir treu zu bleiben, ist mir immer wichtig gewesen. Ich habe nie aufgehört, Schwächen zu finden und besser zu werden. Zwölf Jahre habe ich diese Energie gehabt, darauf bin ich stolz.

Wenn du zu deinem allerersten Tag als CEO zurückgehen könntest, welchen Rat würdest du dir selbst geben?

Vielleicht noch früher, konsequenter auf meine Intuition zu hören und in gewissen Situationen früher das zu tun, was ich von Anfang an richtig fand.

Mit welchem Gefühl übergibst du PostFinance an deinen Nachfolger, Beat Röthlisberger?

Mit Stolz, aber auch mit einer gewissen Wehmut. Ich verlasse etwas, das mich zwölf Jahre lang jeden Tag begleitet hat. Das mir sehr ans Herz gewachsen ist. Nicht nur die Firma, vielmehr die Menschen, mit denen ich zusammengearbeitet habe.

Wenn es etwas gibt, das PostFinance und vor allem die Mitarbeitenden weiterführen sollten, was wäre das?

Ganz klar, die Augenhöhe, der respektvolle Umgang miteinander. Wir haben eine direkte, unkomplizierte Zusammenarbeitskultur. Diese Offenheit, diese Dialogfähigkeit machen unsere Kultur einzigartig und sie würde ich bewahren. Das ist ein zentraler Wert für die Firma und alle Mitarbeitenden.

Die Zeit nach PostFinance. Worauf freust du dich besonders?

Auf Freiraum. Auf Spontanität. Darauf freue ich mich. Aber auch auf neue Konstellationen und Herausforderungen. Und auf mehr Sport. Und auch mal ein Passwort zu vergessen.

Interview: Claudia Scherz, Foto: Nicolas Grossenbacher

Zur Person:

Housi Köng ist leidenschaftlicher Mountainbiker und Skifahrer und wohnt mit seiner Familie in Zollikofen. Im März 2003 begann der 58-jährige Berner seine Karriere bei PostFinance. Als Leiter der Abteilung Tresorerie, später als Finanzchef und seit zwölf Jahren als CEO begleitete PostFinance ihn 21 Jahre lang. Nun tritt er per Ende Februar als CEO zurück.