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«Es war mir eine grosse Ehre, ein Pöstler gewesen zu sein»
Mitte Januar verkündete Roberto Cirillo seinen Rücktritt als Konzernleiter der Schweizerischen Post. Er hat das Vertrauen in die Post wiederhergestellt und verlässt ein finanziell solides und zukunftsfähiges Unternehmen, wie auch der Jahresabschluss 2024 beweist. Ein persönlicher Rückblick auf sechs ereignisreiche Jahre.
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Roberto Cirillo, wenn deine Zeit bei der Post ein Buch wäre, wie würde es enden? Mit einem Happy End oder einem Cliffhanger?
Weder noch! Es ist ein gutes Kapitel in einem spannenden Buch; die Seiten 170 bis 175, die ich mit den fast 50 000 Mitarbeitenden der Post mitgeschrieben habe. Darin fassen die Protagonisten, nach einem Rückschlag auf den Seiten davor Mut und Zuversicht, um die Geschichte weiterzuschreiben. Als ich 2018 zur Post kam, war sie stark unter Druck: Die Zahlen waren rückläufig, der Ruf hatte gelitten. Mein Auftrag damals lautete, eine führungsstarke Konzernleitung zu etablieren, die Post wirtschaftlich auf Kurs zu bringen und fit für die Zukunft zu machen und das Vertrauen zurückzugewinnen. Das haben wir geschafft. Ich gehe mit dem zufriedenen, stolzen Gefühl, Kollege von Zehntausenden von Pöstlerinnen und Pöstlern gewesen zu sein. Gleichzeitig gibt es schon einen Cliffhanger, denn das nächste Kapitel der Strategie läuft bereits.
Welcher Post-Moment hat dich am meisten gefreut?
Ich habe bei den Mitarbeitenden immer sehr viel Energie und Inspiration tanken können. Was die Teams täglich für unser Land leisten, ist bemerkenswert und beeindruckt mich stets aufs Neue. Sie sind unterwegs bei Wind und Wetter, in den starken Monaten Ende Jahr, sind präsent für die Kundinnen und Kunden vor Ort in den Filialen.
«Ich bin immer noch tief beeindruckt vom Engagement und der Flexibilität der Mitarbeitenden während der Covid-19-Jahre.»
Denkst du an was Bestimmtes?
Zum Beispiel an die Covid-19-Jahre. Wir machten aus der Not eine Tugend und halfen der Schweiz in der schwierigen Situation tatkräftig. Es waren rasche Entscheide notwendig, die Belastung war hoch – vor allem in den Sortierzentren und in der Zustellung - und ständig änderten die Gesundheitsvorschriften. Ich bin immer noch tief beeindruckt vom Engagement und der Flexibilität der Mitarbeitenden während dieser Zeit. Aber auch kürzlich die unglaubliche Mobilisierung und Einsatz während des starken Schneefalls im November: Da stand die ganze Schweiz still, und doch waren wir in der Lage, die Bevölkerung zu bedienen mit allem, was sie brauchte. Das war so wichtig, weil am Wochenende eine Abstimmung stattfand und die Couverts rechtzeitig in den Stimmbüros ankommen mussten. An dieser Stelle nochmals ein grosses Dankeschön an die Mitarbeitenden für alles, was sie leisten. Wir sind genau aus diesem Grund die beste Post der Welt – bereits zum achten Mal.

Gab es auch belastende Momente?
Die Zeit nach Covid war fast schwieriger als während der Covid-Jahre. Wir mussten weiterhin Qualität und Leistung erbringen. Aber die Leute waren recht müde und – so wie ich – manchmal erschöpft. Trotzdem mussten wir uns weiterbewegen und transformieren, weil die Kunden und die Bevölkerung es so wollten. Es gab aber auch einzelne schwierige Situationen wie der Brand des Postauto-Depots in Chur, die Überfälle auf Geldtransporte in der Westschweiz und einige Unfälle in der Zustellung, die mich erschüttert haben. Obwohl ich es mir gewohnt bin, grosse Organisationen zu führen, sind diese Einzelfälle immer schwierig zu verarbeiten, weil ich weiss, dass dahinter Menschen, Familien und Teams stehen, die darunter leiden.
Du hast die Post stark verändert. Inwiefern hat sie dich verändert?
Ich habe viel gelernt. Sechs Jahre lang durfte ich eine der bedeutendsten Institutionen der Schweiz leiten. Dabei war ich mit vielen Menschen in Kontakt – Kundinnen und Kunden, Pöstler und Pöstlerinnen, Gemeindeverantwortliche und auch Bundesrätinnen und Bundesräte. Der Austausch und die Diskussionen waren sehr wertvoll. Ich gewann einen spannenden Einblick in die Funktionsweise unseres Landes, habe gesehen, wie die Zahnräder ineinandergreifen. Das hat mich geprägt. Ich habe noch mehr Respekt und Hochachtung für all jene, die sich für unseres Land engagieren – auf lokaler Ebene, in Gemeinden und Vereinen, auf kantonaler Ebene und in den Verbänden, sowie im Bundeshaus.
«Meinem jüngeren Ich würde ich sagen: Freu dich auf diese Aufgabe; sie ist eine grosse Herausforderung und Ehre zugleich.»
Was würdest du rückblickend deinem Ich vor sechs Jahren mit auf den Weg geben?
Meinem jüngeren Ich würde ich sagen: Freu dich auf diese Aufgabe; sie ist eine grosse Herausforderung und Ehre zugleich. Vertraue in den eingeschlagenen, zukunftsweisenden Weg, auch wenn der Gegenwind scharf ist. Bleib nah bei den Menschen und baue auf dein grossartiges Team. Gönne dir aber auch ab und zu mal eine wirkliche Pause. Die hat oft gefehlt.
In den Medien war die Zusammenarbeit mit unserem Verwaltungsratspräsidenten Christian Levrat oft ein Thema. Wie lief das?
Ich habe die Zusammenarbeit mit Christian und dem ganzen Verwaltungsrat enorm genossen und geschätzt. Christian ist der ideale Partner für mich gewesen und ich bin sehr dankbar für das Vertrauen. Wir haben stets konstruktiv diskutiert und immer eine tragbare Lösung gefunden, die die Post voranbringt. Dass unsere Strategie funktioniert, sehen wir in den Geschäftszahlen und in der Zufriedenheit unserer Kundinnen und Kunden sowie der Mitarbeitenden. Wir haben die bundesrätlichen Ziele immer erreicht und sind wiederholt zur besten Post der Welt gekürt worden. Dies kommt alles nicht von ungefähr und gründet in einem wirkungsvollen Plan, der breit abgestützt ist.
Jahresergebnis 2024: Solide Basis für die Zukunft
Die Transformation während der letzten vier Jahre zeigt Wirkung. Die Schweizerische Post steht finanziell gesund da, erbringt einen qualitativ hochstehenden Service public und entwickelt sich fortlaufend weiter, um relevant für die Schweiz zu bleiben. Konzernleiter Roberto Cirillo sagt: «Die Post ist finanziell im Gleichgewicht und kann auf eine gesunde Bilanz zählen. Wir haben in den letzten Jahren eine solide und zukunftsfähige Post geschaffen.»
Die Kundinnen und Kunden nutzen zunehmend digitale Lösungen wie die ePost, das elektronische Patientendossier und die Post-App und profitieren unter anderem von der Möglichkeit, die Paketzustellung in Echtzeit zu verfolgen. Gestiegen ist die Nachfrage auch in der Mobilität: Im Jahr 2024 hat PostAuto so viele Fahrgäste befördert wie nie zuvor. Insgesamt erwirtschaftete die Post im Jahr 2024 einen Konzerngewinn von 324 Millionen Franken. Das sind 70 Millionen mehr als 2023. Der Betriebsertrag lag mit 7,6 Milliarden Franken 4,8 Prozent über dem von 2023. Für die Zukunft rechnet die Post mit einem weiterhin anspruchsvollen Markt- und Zinsumfeld.
Alex Glanzmann, Leiter Finanzen und ab April 2025 Konzernleiter ad interim, bleibt vorsichtig: «Die Anfang 2024 umgesetzten Preismassnahmen konnten den strukturellen Rückgang der Briefmengen vorerst ausgleichen. Und durch Effizienzprogramme in den vergangenen vier Jahren ist es uns gelungen, unsere Kosten zu senken. Das Marktumfeld der Post bleibt aber äusserst anspruchsvoll.»
Was wirst du am meisten vermissen?
Die Menschen. Den Stolz, täglich für die beste Post der Welt arbeiten zu dürfen. Das Gefühl, einen Beitrag zu leisten für den Service public, der unser Land zusammenhält. Es war mir eine grosse Ehre, ein Pöstler gewesen zu sein: Viva la Posta!
Und was gar nicht?
Ich habe alle Herausforderungen, die die Post gestellt hat, gern angenommen. Dabei war mir stets klar, dass das Umfeld der Post enorm anspruchsvoll ist. Sie gehört den Schweizerinnen und Schweizern. Sie bewegt nicht nur Briefe, Pakete, Geld und Menschen, sie bewegt auch die Gemüter. Alles, was wir tun, planen, worüber wir reden oder auch nur nachdenken, hat das Potenzial für eine Schlagzeile oder eine politische Reaktion. Wir sind eine Institution, die sich in einem regulatorischen Rahmen bewegt. Gleichzeitig sind wir ein Unternehmen, das sich in einem stark kompetitiven Umfeld behaupten muss. Dieses Spannungsfeld ist reizvoll und braucht viel Fingerspitzengefühl, Weitsicht und Geduld. Manchmal wäre es hilfreich gewesen, die Politik und die Medien hätte uns auf dem Weg weniger für Einzelkämpfe und Partikularinteressen eingespannt, und sich mehr mit den fundamentalen Themen der Grundversorgung der Zukunft auseinandergesetzt.

Was hättest du vor deinem Rücktritt gerne noch erledigt?
Vieles. Die Entwicklung ist nicht abgeschlossen, die Post wird sich immer bewegen müssen. Die nächste Transformationsetappe wird sich mit den Themen der Kundenzentrierung und der Relevanz der Post im Alltag der Bevölkerung auseinandersetzten. Das sind sehr spannende und fundamentale Themen, an denen ich gerne weitergearbeitet hätte. Und ich hätte gerne noch mehr Italienisch und Französisch in den höheren Etagen des Konzernes gehört, als es heute der Fall ist. Und ich hätte – noch wichtiger – mehr Frauen in Führungsposition sehen wollen. Da hat die Post noch Potenzial, ein besserer Spiegel unseres Landes zu werden.
Wohin geht nun die Reise der Post?
Die Post ist heute stärker und finanziell gesünder als vor sechs Jahren – sie ist solide und zukunftsfähig. Und vor allem: Die Post hat wieder gelernt, dass sie alles stemmen kann und stolz auf sich sein darf. Das war mir sehr wichtig. Die nächste Strategieperiode startet gerade, und die Prioritäten für die Umsetzung sind klar. Die Post wird ihren Weg gehen, damit sie auch nach 2030 noch eine wichtige Rolle spielt im Leben der Menschen in der Schweiz. Davon bin ich überzeugt.
«Eine offene Zukunft verstehe ich immer als Möglichkeit, meine Zukunft selbst mitzugestalten. Das ist doch spannend, oder?»
Und deine eigene Reise?
Das weiss ich heute noch nicht. Ich mache erstmal einen Zwischenstopp, lade die Batterien wieder voll auf und überlege mir meine nächsten beruflichen Schritte.
Worauf freust du dich am meisten?
Auf die viele Gespräche, die ich auf der Suche nach der nächsten Rolle haben werde, und auf zahlreiche Optionen, die sich öffnen werden. Eine offene Zukunft verstehe ich immer als Möglichkeit, meine Zukunft selbst mitzugestalten. Das ist doch spannend, oder?

Roberto Cirillo
Roberto Cirillo ist seit 2019 Konzernleiter der Schweizerischen Post und verantwortlich für die operative Führung des Unternehmens. Nach sechs Jahren in dieser Funktion tritt er per Ende März 2025 zurück. Vor seinem Wechsel zur Post leitete der 53-Jährige das britische Unternehmen Optegra Eye Health Care. Cirillo hat Maschinenbau an der ETH Zürich studiert und einen MBA-Abschluss der Columbia Business School in New York. Der Tessiner spricht fünf Sprachen fliessend (Italienisch, Deutsch, Französisch, Spanisch und Englisch).
Interview: Mischa Stünzi und Ines Schumacher