Hintergründe, Menschen
Gemeinsam mit der ETH Zürich die Route der Pöstlerinnen und Pöstler optimieren
Die Routenplanung der Post ist ein hochkomplexer Prozess mit zahlreichen Einflussfaktoren. Welche Fahrerin stellt Herrn Hubers Paket wann zu, und wann liefert welcher Fahrer das Paket bei Frau Meier ab? Mit solchen Fragen beschäftigen sich zahlreiche Mitarbeitende der Post aus unterschiedlichen Bereichen tagtäglich.
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Es geht nicht nur darum, die Pakete auf einzelne Fahrzeuge und Mitarbeitende aufzuteilen. Auch muss festgelegt werden, in welcher Reihenfolge die Zusteller und Zustellerinnen ihre Sendungen ausliefern. Weitere Faktoren, wie gewünschte Zustelltermine der Kundinnen und Kunden, Baustellen auf der Strasse und Verkehrslage, erschweren die Planung zusätzlich.
Um die Routenplanung technologisch weiterzuentwickeln und optimal an sich verändernde Bedingungen anzupassen, arbeitet die Post mit einem Forschungsteam der ETH Zürich zusammen. Wie diese Zusammenarbeit funktioniert und welchen Mehrwert sie bietet, erklärt Aurimas Vilkelis, der die bereichsübergreifende Kooperation verantwortet.
Aurimas, warum ist eine optimierte Routenplanung für die Post so wichtig?
Unsere Kundinnen und Kunden erwarten eine schnelle und zuverlässige Zustellung. Damit das gelingt, müssen wir die Routenplanung kontinuierlich verbessern. Dabei berücksichtigen wir viele Faktoren: zum Beispiel Verkehrsdaten, Zustellzeiten, die Erfahrung unserer Mitarbeitenden und deren Einsatzpläne. Je besser unsere Routenplanung ist, desto effizienter setzen wir Ressourcen ein und können flexibler auf Veränderungen reagieren.
Welche Vorteile bringt das konkret?
Eine effiziente Routenplanung reduziert die CO2-Emissionen und senkt die Transportkosten. Wenn wir zudem individuelle Kundenwünsche wie feste Zustellzeitfenster berücksichtigen können, profitieren am Ende alle: die Kundschaft, die Umwelt und die Post. Gleichzeitig leisten wir damit einen aktiven Beitrag an unserer Nachhaltigkeitsstrategie: klimaneutral werden im Betrieb bis 2030 und Nettonull über die gesamte Wertschöpfungskette bis 2040 erreichen.
Ihr habt euch für eine Zusammenarbeit mit der ETH Zürich entschieden. Warum?
Routenplanung ist seit über 100 Jahren ein Forschungsthema. Es gibt schon viele Erkenntnisse, aber auch noch viele offene Fragen – teils ganz grundlegende. Die eigentliche Schwierigkeit liegt nämlich nicht in der klassischen Fragestellung «Sendung von A nach B», sondern in der Vielzahl von Einschränkungen, die berücksichtigt werden müssen, um den gestiegenen Markterwartungen an Zustelldienstleistungen gerecht zu werden. Mit der ETH als Partnerin können wir wissenschaftliches Know-how in die Praxis bringen und zugleich der Wissenschaft praxisnahe Fragen stellen.
Und warum gerade die ETH?
Die Standardlösungen der Softwareanbieter wurden unseren hohen Ansprüchen an Qualität und Performance nicht immer gerecht. Deshalb haben wir entschieden, das Thema Tourenplanung gemeinsam mit einem Forschungspartner zu vertiefen. Wir bereichern die Forschung mit hochkomplexen Praxisbeispielen. Die ETH Zürich – eine der weltweit führenden technischen Universitäten – ist eine ideale Partnerin für uns. Wir arbeiten mit einem Team vom Institut für Operations Research unter der Leitung von Prof. Dr. Rico Zenklusen zusammen. Die Routenplanung zählt zu ihren Kernfragen. Das Institut bringt grosses Knowhow auf dem Gebiet mit und hat ein starkes Interesse daran, Theorie in die Praxis zu überführen.
Theorie und Praxis sind zwei Seiten einer Medaille. Wie hast du das erlebt?
Am Anfang brauchte es etwas Zeit, bis wir «die gleiche Sprache» gesprochen haben. Aber heute ist das gemeinsame Verständnis sehr stark. Ich bin stolz, dass wir immer wieder den Status quo herausfordern und so echte Fortschritte auf der letzten Meile der Zustellung erzielen.
Was beinhaltet das Forschungsprojekt genau?
Zwei Hauptpunkte: Zum einen werden an der ETH Algorithmen und Softwarekomponenten entwickelt, die Optimierungsaufgaben in der Routenplanung der Schweizer Post übernehmen. Zum anderen findet ein reger Austausch über den Einsatz von Routenplanung statt, der dazu führt, dass auch andere Routenplanungssoftwares effizienter eingesetzt werden können.
Funktioniert der Transfer von der Theorie in die Praxis immer reibungslos?
Im Fokus stehen Optimierungen der Zustellung auf der letzten Meile. Die Algorithmen berechnen in kürzester Zeit zahlreiche Tourenkombinationen und nähern sich der bestmöglichen Route an. Doch nicht alles, was mathematisch optimal ist, lässt sich im Alltag umsetzen. Deshalb ist unsere Expertise entscheidend: Wir validieren die Ergebnisse nicht nur auf Papier, sondern auch im täglichen Betrieb auf der Strasse.
Gibt es schon konkrete Erfolge?
Wir haben schon viele grosse Meilensteine erreicht. Aus der Zusammenarbeit sind beispielsweise drei Softwarekomponenten entstanden: Eine tagesaktuelle Planungssoftware, die seit über zwei Jahren bei einer Post-Tochter im Einsatz ist. Eine Weiterentwicklung dieser Software, die gerade die Durchführbarkeits-Prüfung bestanden hat. Sie soll dabei helfen, langfristig Tourgebiete zu schneiden. Die Zustellgebiete sind in Zonen unterteilt. In Zürich zum Beispiel werden Pakete aus zwei verschiedenen Distributionszentren zugestellt: Ein Teil der Stadt wird von der Basis in Zürich-Oerlikon bedient, der andere von der Zustellstelle in Urdorf. Damit solche Lösungen möglich sind, braucht es eine Gebietsschneidung. Und eine Lösung zur Live-Nachoptimierung von Touren. Mit ihr können wir Touren anpassen, die bereits begonnen haben.
Und wie geht es weiter?
Aktuell arbeiten wir daran, die Software nach vielen Tests für den Betrieb bereitzumachen. Hier gibt es noch offene Fragen und viele Ideen für Verbesserungen, die wir in den kommenden Jahren gemeinsam angehen werden. In jedem Projekttreffen entstehen neue Inputs, die wir sofort ausprobieren.
Dein Fazit?
Diese Kooperation zeigt eindrucksvoll, dass praxisnahe Forschung hervorragende Ergebnisse ermöglicht. Und umgekehrt, dass sich theoretische Modelle verändern und verbessern, wenn sie in der Praxis getestet werden. So werden wir schneller anpassungsfähig und zukunftsbereit.