Unser Engagement

«Man soll sich immer überlegen, was sinnvoll und angemessen ist – für sich selbst und für den Planeten»

Die Welt steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Warum wir uns selbst belügen, wenn es um Nachhaltigkeit geht, und was wir ändern können, haben wir im Interview mit Prof. Dr. Claus-Heinrich Daub, Soziologe und Experte für nachhaltige Unternehmensführung der Fachhochschule Nordwestschweiz, erörtert.

Claudia Iraoui

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Claus-Heinrich Daub, Soziologe und Experte für nachhaltige Unternehmensführung der Fachhochschule Nordwestschweiz.
Claus-Heinrich Daub zur «Fridays for Future» Bewegung: «Die Jugend protestiert völlig zu Recht – weil das, was derzeit geschieht, ihre Zukunft verbaut.» ( Copyright: David Millán )

Herr DaubTarget not accessible, wie steht es um unsere Welt?

Wir haben noch ungefähr ein Zeitfenster von zehn Jahren, um die 2015 in Paris vereinbarten Klimaziele zu erreichen. Ich selbst bin aber eher skeptisch, dass dieses Zeitfenster genutzt wird. Die soziologische Forschung zeigt aber, dass Gesellschaften sich mit derart einschneidenden Veränderungen schwer tun. Im ungünstigsten Fall müssen uns bis zum Ende des Jahrhunderts auf einen Temperaturanstieg von vier bis sechs Grad Celsius einstellen. Dies wird einen extremen Einfluss auf uns Menschen und unser Leben haben.

Ist die Konsumgesellschaft im Allgemeinen das Problem?

Konsum ist nicht an sich schlecht. Die Frage ist, was und wieviel konsumiert wird. Nehmen wir das Beispiel der Ernährung: Die Zahl der Menschen mit Übergewicht nimmt in den Industrienationen seit Jahren zu. Offenbar wird also eine zu grosse Menge an Kalorien aufgenommen und zugleich zu viel des Falschen konsumiert. In diesem Fall ist die Konsumgesellschaft tatsächlich ein Problem.

Wer muss dieser negativen Entwicklung entgegenwirken?

Wir alle! Allen voran aber diejenigen, die wir gewählt haben. Politikerinnen und Politiker sind Vertreter unserer Interessen. Sie sollten es sein, die sich dem Anliegen einer nachhaltigen Entwicklung konsequent widmen und dabei auch unangenehme, und für uns unbequeme Gesetze schaffen, damit wir endlich einen positiven Weg einschlagen können.

Ist das nicht ein Eingriff in die Mündigkeit der Gesellschaft?

Nein, wir sollten das Eingreifen als Hilfestellung betrachten. Keiner verzichtet gerne oder lässt sich beschränken. Und so muss es sein, wenn wir den Klimawandel bremsen wollen. Natürlich muss das gut abgewogen werden. In manchen Bereichen wie z.B. dem Flugverkehr braucht es allerdings drastische Massnahmen. Und das wird uns alle etwas kosten, nicht nur die Bürger, sondern auch die Unternehmen.

Würden Sie sagen, die Post ist nachhaltig?

Es gibt kein nachhaltiges Unternehmen, es gibt höchstens nachhaltigere unter ihnen. Es gibt solche, die mehr tun, als sie laut Gesetz verpflichtet wären und die dadurch auch positiv auffallen. Das ist auch gut so, denn es ist immer ein Abwägen, wie viel Nachhaltigkeit man sich als Unternehmen ökonomisch leisten kann und möchte. Die Post gehört zweifellos zu den Unternehmen, die im Rahmen des Möglichen sehr viel machen. Und dies auch im internationalen Vergleich. Die Post zeigt auch immer wieder, dass sie über die obligatorischen Pflichten hinaus Nachhaltigkeit fördert.

Nachhaltigkeit wird bei den Unternehmen gross geschrieben. Ist es lediglich eine Marketing Massnahme (Greenwashing)?

Natürlich gibt es Unternehmen, die systematisch Greenwashing betreiben. Erkennbar ist das zum Beispiel, wenn eine Leistung als besonders nachhaltig verkauft wird, auch wenn sie kaum etwas bewirkt . Dahingegen ist es kein Greenwashing, wenn ein Unternehmen nachweisen kann, dass es auch tatsächlich lebt, was es sagt. Man soll und darf gerne über Nachhaltigkeit reden, aber man sollte erst einmal etwas Glaubwürdiges dafür tun.

Claus-Heinrich Daub, Soziologe und Experte für nachhaltige Unternehmensführung der Fachhochschule Nordwestschweiz.
Claus-Heinrich Daub zur «Fridays for Future»-Bewegung: «Die grössten Hebel, um nachhaltiger zu leben, sind: Das eigene Mobilitätsverhalten, das Konsumverhalten in Bezug auf Ernährung und Konsumgüter sowie die eigene Wohnsituation». ( Copyright: David Millán )

Werden Bewegungen wie «Fridays for Future» die Politik oder Wirtschaft zukünftig mehr herausfordern?

Ja, hoffentlich! Ich setze sehr auf die Bewegung «Fridays for Future» und engagiere mit selbst bei den «Scientists for Future», die den jungen Menschen die wissenschaftlichen Fakten liefern. Die Jugend protestiert völlig zu Recht – weil das, was derzeit geschieht, ihre Zukunft verbaut. Ich hoffe, dass uns solche Bewegungen noch lange und lautstark daran erinnern, was auf dem Spiel steht.

Wir demonstrieren und predigen Nachhaltigkeit, essen aber nach wie vor Fleisch, fliegen, etc. Ist das nicht scheinheilig?

Indem man isst oder sich fortbewegt, verbraucht man Ressourcen. Selbst, wenn man läuft, werden Kalorien verbrannt. Es kommt lediglich darauf an, was man isst und wie man sich fortbewegt. Es ist also nicht scheinheilig, es ist eine Frage des richtigen Abwägens. Man soll nicht aufhören, zu essen oder sich von A nach B zu bewegen. Man soll sich nur jedes Mal überlegen, was sinnvoll und angemessen ist – für sich selbst und für den Planeten.

Wo sind die grösste Hebel, um nachhaltiger zu leben?

Da gibt es verschiedene Bereiche: Das eigene Mobilitätsverhalten, das Konsumverhalten in Bezug auf Ernährung und Konsumgüter sowie die eigene Wohnsituation. Muss die Ferienreise mit dem Flugzeug stattfinden? Wie viel Fleisch muss es sein und wie oft ein neues Smartphone? Auf welche Temperatur muss die Wohnung im Winter geheizt werden? Hinzu kommt das Engagement gegen den Klimawandel, mit dem man beweist, dass man aktiv bereit ist, etwas zu tun.

Sie ernähren sich vegan. Diese Ernährung wird auch kritisiert, vor allem deren exotische Produkte. Wie gehen Sie persönlich mit dem Thema um?

Ich bin da relativ konsequent und folge einigen schlichten Grundregeln: Wenn immer möglich bio, wenig verarbeitete Lebensmittel, kurze Transportwege und Lagerungszeiten sowie saisonal.

Ist ein nachhaltiger Lebensstil auch eine Geldfrage?

Das lässt sich nicht so eindeutig beantworten. Wenn man mehr Geld besitzt, kann man einerseits prinzipiell nachhaltiger konsumieren, weil nachhaltige Produkte häufig teurer sind. Wenn man weniger Mittel zur Verfügung hat, ist die Wahlfreiheit auf den ersten Blick kleiner: Man leistet sich z.B. seltener Bio-Produkte, wohnt in einer schlechter isolierten Mietwohnung oder kann nicht auf das Auto verzichten, weil es am Wohnort keinen so gut ausgebauten ÖV gibt. Gleichzeitig zeigt aber die Forschung, dass Personen mit einer geringeren Ressourchenausstattung in der Regel insgesamt nachhaltiger unterwegs sind: Sie leisten sich vielleicht keinen oder nur einen Flug pro Jahr, verfügen über eine kleinere Wohnfläche, etc.

verfasst von

Claudia Iraoui

Channel Manager Digital

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