Hintergründe

«Postkunden können in Zukunft alles an einem Ort erledigen»

Mit Versicherungs- oder Bankgeschäften, Behördendienstleistungen oder digitalen Beratungen schreitet die Post in die Zukunft. Warum die Netzöffnung ein notwendiger Schritt ist, und wieso das Netz auf rund 800 eigenen Filialen stabilisiert wird, erklärt Thomas Baur, Leiter PostNetz, in einem Interview.

Sandra Liechti

Inhaltsbereich

Thomas Baur, Leiter PostNetz

2016 kündigte die Post die Umwandlung der Poststellen in Filialen mit Partner an. Wo steht sie heute?

Es hat sich viel getan seit 2017 und wir haben viel bewegt. In der Zwischenzeit haben wir die Anzahl Zugangspunkte um 500 in der ganzen Schweiz erhöht. Allerdings haben wir bei den Umwandlungen der Filialen einen kleinen Rückstand. Dort haben uns die angepassten regulatorischen Vorgaben und Corona etwas gebremst, sodass wir wahrscheinlich erst Ende 2021 auf der geplanten Anzahl von 800 eigenbetriebenen Filialen angelangt sein werden.

A propos Corona. Welche «Post-Corona»-Erkenntnisse ziehen Sie daraus?

Die ersten zwei Wochen befanden wir uns auf komplettem Neuland. Es fehlte überall an Material wie Plexiglas-Scheiben, entsprechenden Signalisationen oder Desinfektionsmitteln. Dank dem effizienten Krisenmanagement konnten wir jedoch jeden Tag Fortschritte verzeichnen. Es kamen natürlich auch einige Ängste und Bedenken bei den Mitarbeitenden auf, weil viele widersprüchliche Informationen über das Virus und das korrekte Verhalten kursierten. Da muss ich den Menschen in den Betrieben – sei es in der Zustellung, in der Logistik sowie in den Filialen grosses Lob aussprechen. Sie handhabten das extrem professionell. Sogar die Arbeitsinspektorate, die uns kontrollierten, gaben uns gute Noten, dass wir die Sicherheitsvorkehrungen korrekt umgesetzt haben. Am wichtigsten ist allerdings, dass wir beweisen konnten, dass wir in der Krise für die Bevölkerung da sind und die Sicherheit der Kunden und Mitarbeitenden wahren konnten. Gezeigt hat sich also, dass wir tatsächlich systemrelevant sind, und dass das Netz ein unverzichtbarer Teil der Post und der Schweiz ist. Diese Erkenntnis bestätigt die neue Strategie, die wir kürzlich bekannt gegeben haben.

Was heisst das konkret?

Die neue Strategie sieht vor, die Zahl der eigenen Filialen auf 800 zu stabilisieren und die Zugangspunkte, insbesondere bei der Aufgabe-/Abholung von Paketen, weiter auszubauen. Gleichzeitig ist die Öffnung für externe Partner umso wichtiger, weil wir einen Rückgang der Kundenfrequenzen in den Filialen feststellen, der sich wegen Corona sogar noch akzentuiert hat. Insofern ist die Netzöffnung ein zwingender Schritt, um den Kunden weitere Dienstleistungen und somit einen Mehrwert in den Filialen anbieten zu können.

Wie muss man sich denn ein Gang zur Poststelle in Zukunft vorstellen? Was ändert sich für die Kunden?

Es wird möglich sein, in der Poststelle gleichzeitig mehrere Besorgungen zu erledigen. Sei es, ein Versicherungs-, Krankenkassen- oder Bankgeschäft abzuwickeln. Das ist sehr bequem für die Kunden: Sie können alles an einem Ort erledigen. Ausserdem stellen wir fest, dass zunehmend Bedarf besteht, die Kunden in digitalen Belangen zu beraten. Sei es für die Installation und Handhabung von Apps, für neue Online-Produkte, Mutationen oder mobile Lösungen. Wir hoffen also darauf, dass die Kunden neben postalischen Dienstleistungen auch andere Services oder persönliche Beratung in Anspruch nehmen werden. Die Post möchte die Bevölkerung gerne in die Digitalisierung begleiten. Damit unterstützen wir flächendeckend die Digitalstrategie des Bundes.

‘Digital enabling’ ist ein grosser Wunsch, und zwar branchenübergreifend.

Thomas Baur, Leiter PostNetz

Und was ist mit Geschäftskunden?

Auch hier bauen wir das Angebot aus. Das Thema Self-Service steht weit oben auf der Prioritätenliste – die Kunden – seien es Privat- oder Geschäftskunden – wollen 24/7 ihre Geschäfte abwickeln können. Nicht nur zu Schalterzeiten. Also, Zahlungsautomaten, Paketautomaten etc.. Für Geschäftskunden investieren wir weiter in Standorte bzw. in die sogenannten ‘Geschäftskunden-Boxen’, damit sie ihre Belange schnell und einfach erledigen können. Das sind Standorte in Industriegebieten, die einfach mit dem Auto zugänglich sind.

Wie weit ist man denn nun mit Partner-Gesprächen, damit die Öffnung auch tatsächlich stattfinden kann?

Wir führen bereits Gespräche mit diversen Dienstleistern und stossen auf grosses Interesse. Der nächste Schritt besteht darin, dass wir konkret anschauen, wie man die Dienstleistungen in das Gesamtangebot integrieren könnte. Ausserdem braucht es entsprechende Preismodelle, und vieles mehr. Es wäre wünschenswert, bis Ende Jahr zumindest einen Piloten aufzusetzen und 2021 erste Vertragsunterzeichnungen vorweisen zu können. Wir wollen neue Kunden gewinnen – dadurch dass die Partner neue Kunden in die Filialen bringen und damit das Postnetz an Wert gewinnt.

Was ist das grösste Bedürfnis von zukünftigen Partnern?

Die Gespräche haben wie gesagt erst begonnen, aber es zeichnet sich ein roter Faden ab: ‘Digital enabling’ ist ein grosser Wunsch, und zwar branchenübergreifend. Das heisst, die Partner zählen auf das Know-how unserer Mitarbeitenden, vor allem in Bezug auf Beratung und Betreuung von Online und mobilen Dienstleistungen. Den Kunden sollen digitale Angebot entweder erklärt werden oder wir erledigen sie gleich vor Ort. Das Bedürfnis besteht, wir müssen nur die Kunden davon überzeugen, dass sie bei uns eine gute Beratung und die Services erhalten, die sie möchten. Damit bleiben die Postfilialen relevant. Das ist unser Ziel.

verfasst von

Sandra Liechti

«Die Aufhebung des Kredit- und Hypothekarverbots ist für PostFinance ein unverzichtbarer Schritt»

Hintergründe
Mehr erfahren
Urs Schwaller

Jahresergebnis 2019 der Post im Rahmen der Erwartungen

News
Mehr erfahren
Eine Postbotin gemeinsam mit einem Kunden.