Innovation & Technologie

«In der Zusammenarbeit mit unabhängigen Experten können wir Schwachstellen frühzeitig finden und beheben»

Die Post entwickelt ihr E-Voting-System seit 2020 eigenständig weiter. Denis Morel, Leiter E-Government bei der Post, erklärt, warum die Post 2021 ihr System etappenweise offenlegt und ab wann die Kantone es einsetzen können.

Claudia Iraoui

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Denis Morel, Leiter E-Government bei der Post.
Denis Morel, Leiter E-Government bei der Post. (Copyright: Urs Graber)

Was ist E-Voting, und weshalb engagiert sich die Post in der Schweiz dafür?

Unter elektronischer Stimmabgabe versteht man in der Schweiz einen dritten Abstimmungskanal, der es ermöglicht, seine Stimme ortsunabhängig (z.B. von zu Hause aus) via Internet abzugeben. Er soll den Briefkanal und die Urne ergänzen. Für die Post ist E-Voting Kerngeschäft: Sie bietet auch in der digitalen Welt, was sie bereits am besten kann: den sicheren Transport vertraulicher Informationen - beim E-Voting, wie auch bei anderen digitalen Diensten wie dem E-Mail-Verschlüsselungsdienst Incamail.

Der Bundesrat gleist das Projekt E-Voting nach einem Rückschlag im Jahr 2019 neu auf. Überrascht Sie das?

Nein, es ist keine Überraschung für mich. Es ist letztlich eine Frage der Zeit, bis sich die elektronische Stimmabgabe etabliert. Es gibt seit 2003 Versuche mit E-Voting in der Schweiz. In diesen 18 Jahren haben Bund und Kantone viel Erfahrung gesammelt. Daher ist es nachvollziehbar, dass es nun die Neuausrichtung brauchte, bei der auch auf aktuelles Wissen aus der Forschung Bezug genommen wurde.

Die Post hat beinahe gleichzeitig beschlossen, schrittweise ihr E-Voting-System einzuführen. Was heisst das konkret?

Es gibt keinen direkten Zusammenhang. Bei E-VotingTarget not accessible setzt die Post zur effizienten und wirksamen Behebung von Schwachstellen auf die Methode der öffentlichen Überprüfung. Sie veröffentlicht alle Bausteine des Systems und hilfreiche Dokumentationen. Sie arbeitet gezielt mit externen Fachleuten zusammen. Ziel dieses Prozesses ist es, Schwachstellen frühzeitig finden und beheben zu können. Seit Anfang Jahr haben wir in mehreren Etappen Komponenten der Vorversion des E-Voting-Systems veröffentlicht. Die Mitwirkung der Community hat seither Fahrt aufgenommen: Wir konnten dank den Meldungen von nationalen und internationalen Expertinnen und Experten bereits verschiedene Verbesserungen umsetzen.

Nach dem Sommer soll das ständige öffentliche Bug-Bounty-Programm zu E-Voting starten. In diesem Rahmen können Teilnehmende für bestätigte eingereichte Schwachstellen eine finanzielle Belohnung beantragen. Einen Intrusionstest, der während einem begrenzten Zeitraum Angriffe auf die Infrastruktur zulässt, führt die Post ebenfalls, voraussichtlich Anfang Herbst, durch.

Welche Vorteile und Gefahren birgt E-Voting für die Demokratie?

Ein grosser Vorteil ist, dass bestimmte gesellschaftliche Gruppen einfacher an der Demokratie teilnehmen können. Ich denke zum Beispiel an Menschen mit einer Behinderung oder an Auslandschweizer. Zudem reduziert E-Voting die Anzahl unfreiwillig ungültiger Stimmen, da das System nur gültige Stimmen akzeptiert. Auch der Trend, alles unabhängig von Ort und Zeit, digital zu erledigen, zeigt in Richtung E-Voting. Bei den Risiken werden immer wieder Manipulationsrisiken genannt. Aber einerseits kann man sie dank den neusten kryptographischen Methoden minimieren. Andererseits gibt es auch beim Brief und bei der Urne Risiken. Wichtig hier ist das Vertrauen in den Abstimmungsprozess. Persönlich finde ich im digitalen Zeitalter die Manipulation des Meinungsbildungsprozesses das grösste Risiko − in den sozialen Medien mit Fake News, womit wir als Gesellschaft noch lernen müssen, umzugehen.

Ab wann ist das E-Voting-System der Post für die Kantone verfügbar?

Unser Ziel ist, dass das System im Verlauf von 2022 für den Einsatz in den Kantonen bereitsteht.

Kommt E-Voting bereits weltweit zum Einsatz?

Die Schweiz gehört zu den Vorreitern und hat die höchsten Sicherheitsanforderungen. Spitzenreiter ist mit Abstand Estland. Andere Länder wie Norwegen, Frankreich oder Australien haben E-Voting getestet oder auf regionaler Ebene eingeführt.

verfasst von

Claudia Iraoui

Channel Manager Digital

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