Weiterentwicklung des Service public im öV
Nachhaltige Rahmenbedingungen für den RPV

Stand Positionspapier: September 2021; Parlamentarische Beratungen abgeschlossen am 16.12.2022

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Damit Kundinnen und Kunden weiterhin von einem qualitativ hochstehenden und flächendeckenden Angebot im öffentlichen Verkehr (öV) profitieren können, setzen sich die Schweizer Transportunternehmen gemeinsam mit dem Bund und den Kantonen für eine Weiterentwicklung des regionalen Personenverkehrs (RPV) ein. Die Sicherung von Investitionen, die Digitalisierung und Verbesserung der Leistungen sowie die Förderung von Innovationen sind nur auf Basis eines wirtschaftlich stabilen Systems möglich. Entsprechend sollen Anpassungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen im regionalen Personenverkehr über eine Revision des Personenbeförderungsgesetzes (PBG) an die Hand genommen werden. Da die vorgeschlagenen Änderungen aber die aktuellen Herausforderungen im RPV-System nur teilweise lösen, fordert PostAuto zusätzliche Entwicklungsschritte zur Verbesserung des RPV-Systems. Dazu gehören beispielsweise die Schaffung eines konsistenten Geschäftsmodells oder die Förderung der Elektromobilität.

Ausgangslage

Über 430 000 Passagiere reisen täglich mit PostAuto auf schweizweit 936 Buslinien. Das Postauto übernimmt als Bindeglied im öffentlichen Verkehr die tragende Rolle des Zubringers und erschliesst als Feinverteiler weite Teile des Landes.

Der Grossteil der öV-Reisenden in der Schweiz bewegt sich regional, entsprechende Bedeutung kommt dem Regionalen Personenverkehr (RPV) für die schweizerische Volkswirtschaft zu. In diesem Bereich ist PostAuto heute hauptsächlich tätig. Das System des Regionalen Personenverkehrs hat sich bewährt, muss sich nun aber neuen Herausforderungen stellen. Mit den Zielen der langfristigen Sicherstellung der Finanzierung, der Schaffung von mehr Effizienz und der Vereinfachung des Bestellverfahrens wurde schon 2013 per Motion eine Reform im regionalen Personenverkehr initiiert. Gemeinsam mit den Kantonen und der öV-Branche hat das Bundesamt für Verkehr (BAV) eine Vorlage zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes erarbeitet, zu welcher der Bundesrat am 4. Juni 2021 die Botschaft zuhanden des Parlaments verabschiedet hat. Diese soll per Sommer 2022 in Kraft treten.

Position von PostAuto zur Revision des Personenbeförderungsgesetzes (PBG)

Für PostAuto ist es wichtig, dass mit der Revision des Personenbeförderungsgesetzes mehr Klarheit, Transparenz und Effizienz im regionalen Personenverkehr geschaffen wird. PostAuto hat sich deshalb aktiv bei der Erarbeitung der Branchenhaltung des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV) eingebracht und teilt im Wesentlichen dessen Standpunkte. Die grössten Vorteile der Vorlage, die auf die Weiterentwicklung des RPV-Systems abzielen, sieht PostAuto in der Einführung der Zielvereinbarungen und des nationalen Benchmark-Systems sowie in der Ausweitung der Instrumente zur Innovationsförderung.

Gleichzeitig ist festzuhalten, dass die vorliegende Vorlage nur Teile der ursprünglich geforderten Reform des regionalen Personenverkehrs umfasst. Kritisch ist aus Sicht von PostAuto, dass die in der Vorlage formulierten Kernzielsetzungen zu Effizienzanreizen für Transportunternehmen oder zur Vereinfachung des Bestellverfahrens nicht erfüllt werden. Auch hinsichtlich der Verschärfung der gesetzlichen Regelungen zur Überschussverwendung bedeuten die Änderungen einen Rückschritt und eine Schwächung der Investitions- und Innovationsfähigkeit der Transportunternehmen.

Konkret fordert PostAuto im Rahmen der PBG-Revision folgende Anpassungen:

Kein Verbot der Eigenkapitalverzinsung

Mit der Vorlage will der Bundesrat ein gänzliches Verbot der Eigenkapitalverzinsung einführen, welche bislang unter bestimmten Rahmenbedingungen gewährt wurde. Mit dieser Anpassung fehlen Anreize für eigenfinanzierte Investitionen. Der Fremdkapital-Anteil der Transportunternehmen erhöht sich in der Konsequenz stetig und damit auch das Risiko der Verschuldung. Zudem ist an dieser Anpassung problematisch, dass die Änderung erst nah der Vernehmlassung aufgenommen wurde, wodurch eine vertiefte Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Folgen der Änderungen aus Unternehmens- und Eignerperspektive nicht stattgefunden hat. Entsprechend setzt sich PostAuto dafür ein, dass die Themen Eigenkapitalfinanzierung, interne Leistungsverrechnung und Ausgleich von negativen Reserven ausserhalb der aktuellen PBG-Revision und in Berücksichtigung der laufenden Arbeiten des vom BAV lancierten Projekts «Guidance» geklärt werden. Die «Guidance» soll die Rechtssicherheit in mehreren Bereichen (z.B. im Ausschreibungswettbewerb, in Fragen der Preisbildung, der Anrechenbarkeit von Kosten, der Rechnungslegung oder der Datenbearbeitung) stärken und allfällige PBG-Änderungen mitberücksichtigen. Und schliesslich ist eine Angleichung des PBG mit der Verordnung über die Abgeltung des regionalen Personenverkehrs (ARPV) zwingend, um Widersprüche zu verhindern.

Zielvereinbarungen mit Angebotsentwicklung

Gemäss der PBG-Vorlage sollen Zielvereinbarungen einerseits die Planungssicherheit erhöhen, andererseits die Entwicklung der Kosten und des Angebots festlegen. Damit dies erreicht werden kann, muss die gesetzliche Formulierung sowohl Kosten wie auch das (mittelfristige) Angebot als zwingende Bestandteile enthalten. Andernfalls kann das Ziel der Planungssicherheit nicht erreicht werden.

Optimierungen im Ausschreibungsverfahren

Grundsätzlich steht PostAuto Ausschreibungen offen gegenüber, da sie die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der Transportunternehmen stärken können. PostAuto unterstützt die Anstrengungen des Bundes, den Prozess der Ausschreibungen und die Wirkungssteuerung zu verbessern. Gleichzeitig ist es wichtig, dass bei Ausschreibungen nicht in erster Linie der Preis ausschlaggebend ist. Entsprechende Neuerungen im Beschaffungsrecht müssen auch im PBG nachvollzogen werden. So ist der Terminus «wirtschaftlich günstigste Offerte» mit dem Begriff «vorteilhaftestes Angebot» zu ersetzen. Dass die beschaffungsrechtlichen Bestimmungen übereinstimmen ist wichtig, um den Paradigmenwechsel hin zu mehr Nachhaltigkeit und Qualitätswettbewerb zu erreichen.

Mittel für Innovationen

Um das RPV-System weiterzuentwickeln braucht es genügend finanzielle Mittel für Innovationen. Die in der Vorlage vorgeschlagenen jährlichen Beiträge zur Innovationsförderung sind aus Sicht von PostAuto ungenügend. Gleichzeitig sollte nebst der Pilotierung von Projekten auch die erfolgreiche Markteinführung als Förderungskriterium höher gewichtet werden.

Gleichbehandlung im Datenschutz

PostAuto fordert die Gleichbehandlung im Datenschutz von Dritten und Transportunternehmen und schlägt generell die Unterstellung unter das private Datenschutzrecht vor (analog der Post).

Zusätzlich nötige Reformschritte

Für die erfolgreiche und nachhaltige Weiterentwicklung des Regionalen Personenverkehrs in der Schweiz müssen zeitnah weitere Reformschritte erfolgen:

1. Schaffung eines konsistenten Geschäftsmodells für Transportunternehmen

Damit der öV langfristig und nachhaltig gesichert werden kann, benötigt der regionale Personenverkehr ein konsistentes Geschäftsmodell, in welchem die wirtschaftliche Kraft und die Investitionsfähigkeit der Unternehmen gestärkt wird. Es müssen klare Regelungen geschaffen werden, wie Transportunternehmen nach der Covid19-Pandemie wiederum angemessene Reserven aufbauen können, damit das öV-System bei negativen Ergebnissen, wie zum Beispiel bei Schwankungen der Erträge oder ungeplanten betrieblichen Kosten, Verluste selber tragen kann und nicht auf zusätzliche Gelder der öffentlichen Hand angewiesen ist. Gleichzeitig ist eine Lösung für den Ausgleich der negativen Spezialreserven vorzusehen.

2. Erhöhung der Risikosymmetrie im Offertverfahren

Im heutigen RPV-System tragen die verschiedenen Akteure unterschiedliche Risiken. So werden effiziente Transportunternehmen, wenn sie Produktivitätsfortschritte weitergeben, in den folgenden Offerten oft bestraft. Die geforderte Einhaltung der Planrechnung (Offertkongruenz) wie auch das fehlende Gewinnstreben führen zudem dazu, dass Anstrengungen zu unterjährigen Produktivitätssteigerungen nicht mit dem gleichen Nachdruck verfolgt werden. Dies wirkt sich negativ auf die Wirtschaftlichkeit aus und führt zu höheren Kosten. Deshalb fordert PostAuto, dass die Risikosymmetrie im Offertverfahren und im Ausschreibungsprozess erhöht und entsprechende Spielregeln definiert werden.

3. Vorantreiben der Dekarbonisierung des RPV

Mit der steigenden Dekarbonisierung im motorisierten Individualverkehr werden die Umweltvorteile des öV tendenziell geringer. Damit der öV weiterhin als umweltfreundliches Transportmittel wahrgenommen wird und der Anteil des öV zunimmt, ist die Umstellung auf alternative Antriebe im RPV sicherzustellen. Die Voraussetzung zur Förderung der Elektromobilität im RPV ist die Schaffung einer koordinierten Infrastruktur und damit verbunden die finanzielle Unterstützung seitens Besteller.

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