Menschen

Aus Schrott mach Design

Der in Yverdon-les-Bains aufgewachsene Schauspieler, Regisseur, Bühnenbild- und Requisitenbauer sowie Künstler Raphaël Diener transformiert alte Elektroroller in raffinierte Designobjekte. Seine Motivation? Den Materialien ein zweites Leben schenken.

Carmen Fusco

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Raphaël Diener (46) mit seinen Designobjekten «Last2nd».
Raphaël Diener (46) mit seinen Designobjekten «Last2nd».

«Ich hatte auch mal eine ganz kurze Postkarriere», schmunzelt Raphaël Diener. 1997 suchte die Post während der Weihnachtszeit Aushilfen bei der Briefsortierung. Als kleine Überbrückung nach dem Theaterstudium in Brüssel bewarb sich Raphaël. «Es war eine tolle Zeit. Die Brieftasche, die ich zig Male gefüllt und geleert habe, habe ich auch bei einem meiner Sessel als Polster verwendet.»

Schauspielerisch aber auch handwerklich begabt

Mit 18 Jahren ist Raphaël in die belgische Hauptstadt Brüssel gereist, um an der Ecole De Théâtre Lassaad Schauspiel zu studieren. Lang geblieben ist er nicht – schon bald zog es ihn zurück in die Schweiz. Und das mit grossem Erfolg, denn mit über 2000 professionellen Auftritten hat er schweizweit schon viele Münder zum Schmunzeln und Augen zum Staunen gebracht. Das Schauspiel-Talent ist jedoch nicht das einzige, was Raphaël in die Wiege gelegt wurde: Schon als Kind liebte er es zu «handwerkeln». «Mit 14 Jahren habe ich ein Segelboot komplett restauriert», erinnert er sich.

Diese handwerkliche Gabe konnte er während seinen Jahren in der Zirkus-Welt vertiefen. Den Technikern und Handwerkern vor Ort, die für das Bühnenmaterial und die Requisiten verantwortlich waren, warf er stets einen Blick über die Schulter. So lernte er Tag für Tag mehr dazu, bis er sich seinen Lebenstraum verwirklichen konnte. «Ich wollte schon immer in einem Lastwagen wohnen.» Während 13 Jahren lebte und tourte er mit seinem umgebauten Lastwagen durch die Schweiz. Er verrät uns ein kleines Geheimnis: «Den Lastwagen gibt es noch und er ist Teil meines nächsten Projekts.»

Wenn Träume Realität werden: Raphaëls umgebauter Lastwagen.
Wenn Träume Realität werden: Raphaëls umgebauter Lastwagen.

In letzter Sekunde gerettet

Damals, als Raphaël seinen Job bei der Post hatte, gab es die Elektroroller nicht, welche mittlerweile das Schweizer Strassenbild mitprägen. Diese umweltfreundlichen Zustellfahrzeuge stammen von der Firma KyburzTarget not accessible. Gelangen sie ans Ende ihrer Lebensdauer, prüft sie Kyburz sorgfältig. Aus den noch funktionierenden Teilen werden neue Fahrzeuge konstruiert. Aber was passiert mit jenen, die nicht mehr weiterverwendet werden können? Darum kümmert sich Raphaël, so gut er kann.

Luca Botta, ein langjähriger Bekannter und Leiter Nachhaltigkeit bei Kyburz, kontaktierte ihn letztes Jahr: «Er hat mich angerufen, ich fuhr direkt nach Freienstein und nahm ein paar 100 Kilo Schrott mit in mein Atelier in Basel.» Sofort tüftelte er an den verbrauchten, «unbrauchbaren» Teilen: «Mir fiel sofort auf, dass diese Objekte, die eigentlich eine mechanische Funktion haben, richtig schön sind. Ich liebe Objekte, die eine Geschichte mit sich tragen. Und genau das tun die Teile von Kyburz. Sie alle waren Teil dieser Fahrzeuge und haben ihren Job erledigt, bis sie in meinen Händen gelandet sind.» Für Raphaël steht fest: Nicht die Ästhetik, sondern der Nutzen der Objekte steht im Vordergrund. «Die Teile, die ich für meine Kunstobjekte verwende, haben Gebrauchsspuren, Kratzer, Beulen und das ist eben genau das Schöne daran. Sie beweisen, dass etwas passiert ist.» Für ihren «ersten Sinn» sind die Teile nicht mehr gut genug, aber Raphaël gibt ihnen eine zweite Chance, rettet sie in letzter Sekunde, schenkt ihnen ein zweites Leben – darum: «Last2ndTarget not accessible».

Die «Last2nd» Objekte passen in jedes Zuhause.
Die «Last2nd» Objekte passen in jedes Zuhause.

Reparieren statt wegschmeissen

«Wir leben in einer Konsumgesellschaft, wo Sachen nach wenigen Jahren oder gar Monaten einfach weggeschmissen werden», ärgert sich Raphaël. Das Material, welches er für seine Kunstobjekte verwendet, ist robust und langlebig. Er ist davon überzeugt, dass Objekte immer und immer wieder repariert oder gar «rekreiert» werden können. Die Initiative der Firma Kyburz schätzt er sehr: «Sie waren mutig und kreativ, so etwas auszuprobieren.»

Raphaëls Lieblingsobjekt?

Das «Sehgestell» – kreiert aus den Seitenspiegeln der Elektroroller und zu einer Spirale geformt ist das Objekt vielfältig dekorierbar und passt in jedes zu Hause. Aber auch das abgebildete «Federlicht», sein Bestseller, darf nicht fehlen!

verfasst von

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