Hintergründe

Die Pracht der Rebberge

Der Sommer ist vorbei, und in den Rebbergen des Lavaux beginnt die Traubenlese. In diesem aussergewöhnlichen Weinbaugebiet zwischen See und Himmel begleiten wir Pierre-André Chevalley auf seiner Zustelltour durch die Dörfer St-Saphorin und Rivaz.

Claudia Iraoui

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Copyright: François Wavre

«Ich geh dann mal.» Pierre-André Chevalley verabschiedet sich von Nicolas Weibel, seinem langjährigen Freund und Teamleiter in der Zustellstelle Chexbres, und geht auf seine Zustelltour nach St-Saphorin und Rivaz (VD). Es ist ein perfekter Tag: Um halb neun blitzt die Sonne hinter den französischen Alpen hervor, der Genfersee liegt da wie ein Stück heruntergefallener Himmel, und am Ufer verstecken sich in den Rebstöcken üppige goldgelbe und violette Trauben. Wir sind im Lavaux, dem UNESCO-Weltkulturerbe mit 800 Hektaren Weinbergen. Die Traubenlese hat gerade begonnen, sie kommt früh dieses Jahr. 

Ein Labyrinth aus Strässchen

Pierre-André manövriert geschickt durch die engen Kurven und die abschüssigen Hänge der Weinberge und grüsst dabei die Winzer und Dorfbewohner freundlich. Das gelbe Dreirad DXP Cargo fährt er seit einigen Jahren anstelle eines Autos. Es verfügt über eine Ladebox, die Briefe und Pakete vor der Witterung schützt. Pierre-André ist davon begeistert: «Zum einen ist es viel ökologischer, da es elektrisch angetrieben wird, und zum anderen können wir damit die gewundenen und schmalen Strässchen auf der Tour viel besser befahren.» Pierre-André erreicht die Place du Peuplier in «Saint-Saph», den hiesigen Treffpunkt. Von hier aus geht er zu Fuss oder fährt auf seinem treuen Elektroroller durch das Labyrinth aus Strässchen, in dem sich Licht und Schatten abwechseln. «Wegen der Auflagen des UNESCO-Weltkulturerbes und der Kunstpflege befinden sich die Briefkästen nicht immer dort, wo es für die Post am bequemsten ist.»

Schnellen Schrittes, freundlich lächelnd und immer zu einem Spruch aufgelegt: Der 57-jährige Pöstler ist hier zu Hause, und wenn er auf Dorfgenossen trifft, wird er herzlich gegrüsst. «Ich bin ein Pöstler der alten Schule, der Dienst an den Kunden ist mir heilig. 1981 habe ich mich für eine Arbeit bei der Post entschieden, weil ich gerne mit Menschen zu tun habe.» Zur Zustelltour gehört auch das Haus, in dem Pierre-André und seine Familie wohnen und das einst die Poststelle beherbergte. Vom Hafengebiet aus überquert er die Kantonsstrasse und geht durch die Ruelle Romaine. Er zeigt auf ein Haus: «Hier lebte Jean Villard, der berühmte Dichter und Chansonnier», erklärt Pierre-André.  

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Wein, Helikopter und Schwefel

Der gelbe Elektroroller biegt in die Kantonsstrasse am See ein und legt beim Château de Glérolles und der Filiale Rivaz einen Stopp ein. Bei letzterer lässt er seinen Anhänger zurück und schlängelt sich dann durch die Rebberge in Richtung Rivaz. Überall am Strassenrand stapeln sich gelbe Kisten, die darauf warten, bei der Lese gefüllt zu werden. Wenn man seine Nase in die Luft hält und sich konzentriert, erhascht man den säuerlichen Duft des Traubensafts. Während Pierre-André ein Einschreiben abliefert, kreist ein Helikopter über Rivaz und durchbricht die scheinbare Idylle. Der Pöstler blickt hinauf und erklärt: «Sie holen die Trauben mit dem Helikopter ab. Dieses Jahr haben sie mit den roten Trauben begonnen, denn sie sind sehr süss. Zum Glück versprühen die Winzer heutzutage den Schwefel nicht mehr mit Helikoptern, sondern mit Drohnen. Diese arbeiten viel präziser, und ich muss auf meiner Tour keine Angst mehr vor einer Dusche haben.» In der Ladebox sind nur noch einige wenige Briefe und Pakete, die in kleine Weiler oberhalb von Rivaz gebracht werden müssen.

Copyright: François Wavre

Die Tour neigt sich dem Ende zu. Die inzwischen hoch am Himmel stehende Sonne und die warme Luft erinnern daran, dass der Sommer doch noch nicht ganz vorbei ist. Pierre-André biegt mit seinem Roller in die Strasse nach Vevey ein, sein Ziel ist die Zustellstelle Chexbres. Niemand, nicht einmal er, der hier aufgewachsen ist, kann sich der Schönheit dieser Landschaft entziehen; es scheint fast, als würde er nun etwas langsamer fahren, um die Pracht in vollen Zügen geniessen zu können. 

Copyright: François Wavre

verfasst von

Claudia Iraoui

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