Fair produzierte Kleider für Postmitarbeitende

Sind die Notausgänge frei? Funktioniert der Feueralarm in der Fabrik? Können die Näherinnen ihre Kinder mit ihrem Verdienst in die Schule schicken? Secil Helg ist Spezialistin Nachhaltige Beschaffung. Sie überprüft regelmässig vor Ort, dass ausländische Textillieferanten hohe Sozialstandards einhalten – für sie schlicht eine Frage des Anstands.

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«Kann ich das mit meinem Gewissen vereinbaren?» Diese Frage steht für Secil Helg im Vordergrund, wenn sie die Textillieferanten der Post prüft. Outdoorbekleidung, Foulards, Sweater und mehr: Etwa 82’000 Kleidungsstücke, 96 Modelle in verschiedensten Grössen hat die Post allein 2018 in 9 Ländern bei 16 Fabriken bestellt.

Die Spezialistin Nachhaltige Beschaffung reist ein bis fünf Mal jährlich zu den verschiedenen Produzenten im Ausland, meist in Begleitung einer Arbeitskollegin. Drei bis vier Tage dauern die Lieferantentrainings und Audits dann vor Ort. 

Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz haben Priorität

Vor ihren Besuchen bereitet sie sich gründlich vor. Ob Ungarn, Tschechien, die Slowakei oder Polen: Secil Helg kennt Arbeitsgesetze, Lebenshaltungskosten, Minimallöhne. Vor Ort lässt sie sich die Grundrisse der Fabrikanlagen aushändigen, prüft, ob Fluchtwege frei und Notapotheken vorhanden sind. «Wir inspizieren, notieren, fotografieren und dokumentieren einfach alles», sagt die Fachfrau, «vom Feuerlöscher über die Hausordnung bis zur antistatischen Bodenmatte an der Bügelstation». Höchste Priorität haben dabei Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Umso glücklicher ist sie darüber, dass durch das gemeinsame Bestreben bei den Lieferanten der Post bisher keine Betriebsunfälle vorgekommen sind.

Sind die Löhne existenzsichernd?

Dann will sie wissen, wie es mit der Bezahlung der Näherinnen aussieht. Secil Helg spricht mit dem Personalchef, dem Buchhalter – vor allem aber mit den Näherinnen. Sie liest die Arbeitsverträge und hakt nach: Reicht der Lohn für die Befriedigung der Grundbedürfnisse? Wird er rechtzeitig ausbezahlt? Durch ihre mehr als 30-jährige Erfahrung hat Secil Helg profunde Kenntnisse der Textilbranche, der Prozesse und Materialpreise. Die Preiskalkulation ist transparent. So kann sie beurteilen, wie viel Gewinn ein Lieferant machen muss, um faire Löhne zahlen zu können. Der Erfolg: Die Arbeiterinnen von Postlieferanten verdienen in allen Ländern mehr als den gesetzlich festgelegten Minimallohn. 

Enge Kooperation mit dem Programm «Better Work» der ILO und FWF

Was ist mit freien Tagen? Kommt es zu exzessiven Überstunden? Grundlage für die Überprüfung der Arbeitsbedingungen sind der Sozial- und Ethikkodex der Post, die Kernarbeitsnormen der International Labour Organization (ILO) und die Standards der Fair Wear Foundation (FWF). Der FWF gehört die Post seit 2012 an. Seit 2014 mit dem Status «Leader»: Die Post ist Nummer 1 in der Schweiz und die Nummer 7 weltweit, wenn es darum geht, bei Produzenten hohe Sozialstandards umzusetzen und sicherzustellen, dass Menschenrechte eingehalten werden. Die FWF unterstützt die Post zudem bei Lieferantentrainings und Audits in Bulgarien und China, das ILO-Better-Work-Programm in Jordanien. 

Protestieren ausdrücklich erlaubt

«Der Sozial- und Ethikkodex der Post und der ‹Code of Labour Practice› der FWF werden in der jeweiligen Landessprache in der Fabrik aufgehängt», berichtet Secil Helg. «Ich zeige den Arbeiterinnen darauf Telefonnummer und E-Mail-Adresse für Beschwerden. ‹Ihr könnt uns verklagen, wenn der Sozial- und Ethikkodex der Post nicht eingehalten wird!› – das sage ich den Frauen ganz deutlich.» Bisher gab es zum Glück keinen Grund für die Näherinnen, eine Beschwerde einzureichen.