Menschen

Der Hundertjährige

Hans Schneeberger ist einer der ältesten Pöstler der Schweiz und immer noch nicht müde.

Sandra Gonseth

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Hans Schneeberger in seinem Wohnzimmer in Niederönz.
Hans Schneeberger ist hundertjährig und wohnt noch selbständig im Eigenheim in Niederönz. (Copyright: Béatrice Devènes)

Er ist steinalt. Aber nur auf dem Papier. Einen Tag nach seinem 100. Geburtstag stehen wir vor seiner Haustür. Hans Schneeberger wohnt in einem schmucken Einfamilienhaus am Rande von NiederönzTarget not accessible im Berner Mittelland. Kurz nach dem Klingeln öffnet er uns die Tür. Ein kleiner Mann, adrett gekleidet mit beiger Bundfaltenhose, Hemd und Krawatte. «Ich habe gerade Besuch», sagt er und führt uns in sein Wohnzimmer.

«Danke für die Blumen»

Dort stehen eine braune Sofalandschaft und ein roter Ruhesessel. Auf dem Buffet reihen sich Bilderrahmen mit Familie und Freunden – auch seine zwei verstorbenen Ehefrauen. Auf dem Esstisch liegen fein säuberlich geordnet viele Geschenke. «So, dann gehen wir mal», sagt der Besuch. «Danke für die Blumen», antwortet der Hundertjährige. «Nein, nein, die sind nicht von uns. Die haben die zwei netten Damen von der Post gebracht.» «Ach ja», sagt Hans Schneeberger und beginnt aus seinem reichen Leben zu erzählen. «Wissen Sie, die Jahre bei der FeldpostTarget not accessible haben aus mir einen selbstbewussten jungen Mann gemacht. Eigentlich wollte ich Mechaniker werden wie mein Vater, aber meine Mutter hatte genug vom ewigen Waschen der ölverschmierten Überkleider.»

«Das passt überhaupt nicht»

Da sein älterer Bruder eine Bäckerei führte, lag eine Ausbildung als Bäcker-Konditor auf der Hand. Nach einer Mehlstauballergie musste er den Beruf an den Nagel hängen. «Als ich mich bei der Post vorstellte, sagte der damalige Verwalter: Bäcker-Konditor? Das passt überhaupt nicht. Am nächsten Tag begann ich meine Postkarriere», sagt er. Bei der Militärmusik der Feldpost entdeckte er seine Liebe zur Musik: der Grundstein für die Gründung der Band Silverstars, mit der er lange Jahre Tanzmusik gemacht hat. «Ich spielte Akkordeon und Hawaiigitarre, letztere liegt übrigens immer noch im Keller. Apropos Keller, möchten Sie ein Glas Wein? Ich habe zu meinem Geburtstag über 50 Flaschen erhalten. Seit 15 Jahren trinke ich täglich Rotwein.» Ist das vielleicht das Geheimnis seines langen Lebens?

«Ich bin jetzt eins, null, null»

«Ich schaue nicht speziell auf etwas, passe nur ein wenig beim Essen auf, weil ich dann weniger Gichtschübe habe, die sind nicht lustig.» Das Telefon klingelt. Flink erhebt sich Hans Schneeberger und ruft «Hallo» in die Muschel. «Hi Ur-Opa, hier ist Fabian aus Deutschland. Ich wollte dir auch noch gratulieren. Hast du gestern Party gemacht?» Hans lacht und sagt, ja, es kamen viele Leute. «Ich bin jetzt eins, null, null.» Er lehnt sich sichtlich zufrieden zurück. Seine zwei Ehefrauen hatten beide deutsche Wurzeln, deshalb pflegt er noch regen Kontakt ins Nachbarland. Vor drei Jahren sass er noch hinter dem Steuer. «Ich hätte noch weiterfahren können, der Arzt hat gesagt, ich sei besser zwäg als so manch 70-Jähriger.»

«Es wurde mir fast schwindelig»

Von der Post erzählt er gerne. Als Briefträger brachte er jeden Abend die gesamten Einnahmen der Dorfgeschäfte mit dem Fahrrad auf die Bank. «Als mir einmal jemand die Summe in diesen Säcken genannt hat, wurde es mir fast schwindelig.» Später übernahm er mit seiner Frau Hedi die Poststelle Niederönz. Immer dabei waren seine geliebten Schäferhunde. Ja, man könnte Hans Schneeberger noch stundenlang zuhören, denn er scheint nie müde zu werden. Ein guter Zeitpunkt, um noch ein Bild auf seiner Terrasse zu schiessen. Auch das meistert er mit Bravour. Vorher hat er sich noch seinen neuen Sakko übergezogen.

Haben Sie gewusst, dass …

  • aktuell 667 Hundertjährige in der Schweiz leben?
  • die Anzahl der Hundertjährigen gegenüber 2010 um 13 Prozent zugenommen hat?
  • die zwei ältesten Menschen in der Schweiz 115 Jahre alt sind?

Quelle: Bundesamt für Statistik, Stand 2018

Film- und Buchempfehlungen

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Icon einer Kamera.

"Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand"Target not accessible

Der ganze Film ist verfügbar auf YouTube, Google Play oder Netflix.

Eierlikörtage, das geheime Tagebuch des Hendrik Groen, 83 ¼ Jahre, Verlag Piper

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Hendrik Groen mag alt sein, aber er ist noch lange nicht tot. Zugegeben, seine täglichen Spaziergänge werden kürzer, weil die Beine nicht mehr recht wollen, und er muss regelmässig zum Arzt. Aber deshalb nur noch Kaffeetrinken, die Geranien anstarren und auf das Ende warten? Kommt nicht infrage. Ab sofort führt er ein Tagebuch und kann darin endlich alles rauslassen - ein unzensierter Blick auf das Leben in einem Altenheim in Amsterdam-Nord.

verfasst von

Sandra Gonseth

Redaktorin

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