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«Das darf nicht sein, dass jemand keine zweite Chance erhält!»

Christoph Wilhelm war neun Jahre lang arbeitslos. Dann erhielt er vor eineinhalb Jahren eine berufliche Chance als ICT Helpdesk Mitarbeiter im User Help Desk der Post. Christoph packte diese Chance und ist seit Juni unbefristeten angestellt. Warum dieser aussergewöhnliche Weg eine gehörige Portion Mut und Durchhaltewillen brauchte, erzählen Christoph Wilhelm und dessen Vorgesetzter Roman Ott.

Markus Williner

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Christoph Wilhelm (links) und sein Vorgesetzter Roman Ott (rechts).
Christoph Wilhelm (links) und sein Vorgesetzter Roman Ott (rechts).

Christoph, wie war dein Leben, bevor du zur Post kamst?

Christoph: Ich war 9 Jahre arbeitslos, mein Selbstvertrauen nach dieser langen Zeit im Keller. Einen Job zu haben, das gibt einem neben dem Einkommen auch Halt, Sinn und eine Tagesstruktur. Ich war nach diesen 9 Jahren ausgesteuert. Abgesehen von kleineren, teilweise vom Sozialdienst zugeteilten Arbeiten war ich völlig vom Arbeits- und Sozialleben abgeschnitten.

Dann hast du dich im Stellenportal der Post angemeldet?

Christoph: Ja. Aber nach der langen Arbeitslosigkeit fragte ich mich bei jeder Stelle, die mich interessierte: «Passt diese Stelle zu mir? Habe ich da überhaupt eine Chance?»

Und dann?

Christoph: Stelleninserate sind ein Weg. Der andere Weg ist, dass man gerade als Arbeitsloser Kontakte intensiv zu pflegen und aufzubauen beginnt. So kannte ein Vereinskollege von mir meinen heutigen Chef, Roman. Ihn kontaktierte ich dann und wir konnten über mein Interesse, meine Bedenken und mögliche passende Stellen sprechen.

Roman, wie hast du auf Christophs Anfrage reagiert?

Roman: Als Christoph mich kontaktierte, hatte ich gerade eine Vakanz in meinem Team. Christoph war hochmotiviert, aber verständlicherweise auch unsicher. Meine Empfehlung an ihn war einfach: «Bewirbt dich!» Das sagte ich nicht aus Höflichkeit, sondern weil ich eine reelle Chance sah.

Hattest du keine Zweifel, ob Christoph als Langzeitarbeitsloser für die Stelle geeignet war?

Roman: Zweifel nicht. Aber natürlich musste ich Risiken abwägen: Wie gross ist das Risiko, dass es nicht klappt? Wie ist die Zuverlässigkeit des Kandidaten, wie steht es mit der Integrierbarkeit ins Team? Ich sagte mir aber: «Das darf nicht sein, dass jemand keine zweite Chance erhält!» Und: Natürlich erfüllte Christoph die Stellenanforderungen, was sich in den Interviews bestätigte. Ich mache keine Gefälligkeitsanstellung.

Und was hast du dann getan?

Roman: Ich war nicht sicher, ob eine Festanstellung gleich zu Beginn das Richtige ist. Wir haben deshalb gemeinsam mit dem Sozialdienst eine Lösung gefunden. Wir einigten uns mit Christoph auf eine befristete Anstellung bei der Post für vorerst 6 Monate. Unser Ziel war, das Arbeitsverhältnis danach in eine Festanstellung zu wandeln. So kam es dann auch: Seit dem 1. Juni 2021 ist Christoph nun unbefristet angestellt, denn die Qualität stimmt. Eine tolle Leistung!


Roman Ott (links) und Christoph Wilhelm (rechts) überqueren eine Strasse.

Christoph, war es Zufall oder Schicksal, dass es nach 9 Jahren endlich geklappt hat?

Christoph: Weder noch: Es brauchte den Mut eines Unternehmens und eines Vorgesetzten, ein kalkulierbares Risiko einzugehen und einen mutigen Schritt zu machen. Bei einem KMU ist die Risikobereitschaft natürlich kleiner. Die Post hat sicher mehr Möglichkeiten und Risikobereitschaft. Das schätze ich sehr.

Fehlt da nicht was? Es brauchte auch einen Kandidaten, der sich nicht unterkriegen liess …

Christoph: Das auch, ja. Meine Einstellung hat mir ganz klar geholfen. Aber es brauchte neben dem richtigen Zeitpunkt auch eine Portion Glück. Es gibt ja viele Vorurteile über Langzeitarbeitslose. Aber dies spürte ich nie bei der Post, bei Roman oder bei meinen Team-Kolleginnen und -Kollegen.

...und einen Arbeitgeber und Vorgesetzten, der Mut hatte…

Roman: Vorurteile haben wir alle. Die muss man aber auf die Seite stellen können. Der offizielle Lebenslauf ist bloss ein Papier. Man sieht darin viele Hintergründe nicht, wie es zu diesem Werdegang kam. Eine Bewerbung einfach so schnell aussortieren, ist aus meiner Sicht schlicht nicht sinnvoll. Für mich stand fest: Christoph passte perfekt zu unserer Vakanz. Seine 9-jährige «Lücke» im Arbeitsleben merkte man beispielsweise gar nicht. 

Christoph, als der Entscheid der Post kam: «Wir wollen dich» - was ging da in dir vor?

Christoph: Ich war natürlich überglücklich. Ich dachte: Diese Zusage ist vor allem ein Startschuss. Ich sagte zu mir: «Jetzt kriegst du die lang erwartete Chance. Vielleicht die letzte. Die musst du packen! Jetzt geht’s um die Wurst.» Das erhöhte zwar den Druck, aber es war das, was ich brauchte. 

Roman: Damit so etwas funktioniert, muss man müssen alle Beteiligten offen sein. Das nimmt den Druck weg, und der Fokus kommt auf die Lösung und weg von den Problemen.

Wie war dein erster Tag bei der Post?

Christoph: Zu Beginn hatte ich etwas Schwierigkeiten, den Rhythmus zu finden. Corona und Homeoffice waren zusätzlich ein Schubs ins kalte Wasser. Aber dieser Schubs war wichtig, um Selbstvertrauen zu gewinnen. Ins Team bei der Post zu kommen war für mich, wie zu Hause anzukommen. Ich fühlte mich willkommen und war nicht mehr unsicher. Mein Werdegang war nie ein Thema. Entscheidend war für alle nur das Jetzt. Und ich erhielt die Chance, von mir zu erzählen. 

Roman: Ich hatte dem Team gegenüber im Vorfeld auch nichts kommuniziert. Christoph konnte selber entscheiden, ob und was er über seinen Werdegang erzählen wollte. Dies tat er dann auch.

Christoph, wie geht es dir heute?

Christoph: Das Gute überwiegt deutlich! Ich freue mich jeden Tag auf die Arbeit, insbesondere auch auf den Austausch innerhalb des Teams. Gerade als ICT-Helpdesk Mitarbeiter, wo ich tagtäglich am Telefon bin, ist ein gutes Team besonders wichtig. Wir helfen uns gegenseitig bei kniffligen Fragen der User. Das ist insbesondere auch ein Verdienst von Roman: Merci!

Hast du Zukunftspläne?

Christoph: Mein Ziel hat sich verschoben. Ich möchte irgendwann mal im Team derjenige sein, der eine Person mit einem ähnlichen Hintergrund, wie einarbeiten und coachen kann. Eventuell will ich mich in eine Fachrichtung spezialisieren. Und ich will mein Französisch verbessern. Über allem aber steht das Ziel, nie wieder eine solche Durststrecke erleben zu müssen. Ich verarbeite das, was passiert ist. Insbesondere das, was ich aus heutiger Sicht anders machen würde: So wurde mir bewusst, dass ich mich teilweise zu fest habe fallen lassen und zu wenig oft wieder aufgestanden bin. Die Chance mit Roman und der Post: Das ist das erarbeitete Glück. Das will ich jedem nahelegen. Man darf einen Durchhänger haben und den Kopf in den Sand stecken. Aber dann muss man den Kopf auch wieder rausnehmen und nach vorne schauen.

verfasst von

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